Frage:

Was ist das Urteil über eine Person, die das Salah unterlässt?
Und was ist der Unterschied zwischen Al-kufr al-'amaali (Kufr der Taten) und Al-kufr al-itiqadi (Kufr des Glaubens)?

Antwort:

Derjenige, der das Salah unterlässt, befindet sich in einer von zwei Situationen:

  1. entweder er glaubt an die Verpflichtung des Gebets, oder
  2. er leugnet die Verpflichtung des Gebets.

Was den zweiten Punkt anbelangt (Leugnung der Verpflichtung), ist er ein Ungläubiger (Kaafir) gemäß dem Konsens der Muslime. Das gilt auch, wenn jemand irgendeine andere Angelegenheit in der Religion leugnet, worüber ein Muslim nicht unwissend sein kann – wie z.B. das Leugnen der Verpflichtung des Fastens, Hajj oder was auch immer unter den Muslimen als unumgängliche religiöse Angelegenheit bekannt ist  – dann ist er ein Kaafir. Also gibt es über folgenden Punkt keine Meinungsverschiedenheit: Wer auch immer die Verpflichtung des Gebets leugnet, ist Kaafir.

Aber wenn es jemanden gibt, der die Verpflichtung des Salahs nicht leugnet und die Verpflichtung anerkennt, aber er betet nicht – vielleicht betet er gar nicht oder er betet nur manchmal – wenn wir in diesem Fall über diese Person sagen würden, er hat (großen) Kufr begangen, würde diese Aussage nicht auf ihn zutreffen, weil "Kufr" kommt durch Leugnen (einer Angelegenheit im Islam) und er ist keine Person, welche die Verpflichtung des Gebets leugnet, wie Allah, Der Allerhöchste, in Bezug auf die Kuffaar sagt: "Und sie verwarfen sie (die Ayat) …, während ihre Seelen doch von ihnen überzeugt waren." (Surah An-Naml, 14)

Wenn wir nun als Beispiel jemanden unter den Leuten wählen, der nicht betet, aber wenn er gefragt wird: „Warum betest du nicht, mein Bruder?“, dieser antwortet: „Allah wird mir vergeben, bei Allah, die weltlichen Angelegenheiten beschäftigen mich sehr, die Kinder beschäftigen mich sehr“ und Antworten dieser Art sind natürlich keine Entschuldigung für ihn, aber sie zeigen uns den Nutzen, den wir nicht wussten, weil wir nicht wissen können, was in seinem Herzen ist. Er zeigt uns den Nutzen, dass der Mann an die Verpflichtung des Salahs glaubt, was nicht der Fall sein würde, wenn die Antwort folgende gewesen wäre: „O mein Bruder, die Zeit, Gebete zu verrichten, ist vorüber. Dies war zu einer Zeit (Pflicht), als die Menschen nicht gebildet waren, sie waren nicht rein und hatten eine spezifische, natürliche Reinging nötig; Reinigung und Übung, aber jetzt ist diese Zeit vorbei. Jetzt gibt es neue Wege, die uns vom Salah befreien.“ Dieser Mann ist ungläubig (begeht Kufr) und "dessen Herberge Jahannam  - Und schlimm ist das Ende!" (Surah Al-Imran, 162)

Wenn die Antwort wie im ersten Falle ist, wie: „Allah wird uns vergeben, möge Allah die Schayatiin verfluchen“, zeigt uns diese Art von Antwort, dass der Mann die Verpflichtung des Gebets nicht leugnet und wenn wir sagen, dass er ein Kaafir ist, würden wir der Realität widersprechen, weil der Mann ein Mu'min ist; Er glaubt an die Verpflichtung des Gebets und an die Angelegenheiten im Islam. Wie können wir ihn dann zum Ungläubigen erklären?
Deswegen sagen wir, dass es keinen Unterschied gibt zwischen jemandem, der das Gebet unterlässt und jemandem, der nicht fastet oder die Hajj nicht vollzieht oder irgendeine andere Handlung im Islam unterlässt – es gibt keinen Unterschied in Bezug auf ihr Urteil, ob sie zum Kaafir erklärt werden oder nicht. Wann ist er ein Kafir? Wenn er leugnet (Kufr begeht). Wann ist er ein Mu'min? Wenn er glaubt (Imaan hat). So ist es gemäß dem Konsens der Gelehrten nicht erlaubt, jemanden, der glaubt, zum Ungläubigen zu erklären.

Auch sind viele Überlieferungen gekommen, wie: „(Allah wird sagen:) Lasst jeden in Jannah eintreten, der aufrichtig ‚La ilaha illallah‘ sagte, während er keine gute Tat vorzuweisen hat, außer im Gewicht eines Atoms, aber sein Iman hat das Gewicht eines Atoms, also wird dieser Glaube (Iman) ihn davon abhalten, für immer in Jahannam zu verweilen und er wird das Paradies betreten, auch wenn er davor ein schwarzes Stück Kohle war.“ (Sahih al-Bukhari Nr. 7439, Nr. 7510, Nr. 6560; Sahih at-Targhib Nr. 3639, Nr. 3641)

Dies ist jemand, der bezeugt, dass niemand würdig ist, angebetet zu werden, außer Allah und er glaubt an Allah und was von Allah und Seinem Gesandten gekommen ist, aber er betet oder fastet nicht oder vollzieht die Hajj nicht oder ähnliches, oder er stiehlt oder begeht Unzucht – es gibt keinen Unterschied zwischen diesen Taten in Bezug auf das Ausmaß des Kufr der Taten im Vergleich zum  Ausmaß des Kufr des Glaubens (aufgrund seines Glaubens fallen diese unerlaubten Taten nicht unter die Kategorie des Kufr im Glauben/großen Kufr).

Beispiel: Ein Mann begeht Unzucht. Erklären wir ihn zum Kaafir? Du wirst nein sagen. Ich werde nein sagen. Sei nicht hastig. Wir müssen schauen, ob er Zina als verboten ansieht oder ob er, wie einige Ignorante es tun, sagt: „Es gibt kein Haram und kein Halal“. Wenn er solch eine Aussage bringt, dann ist er ungläubig. Genauso wie jemand, der stiehlt oder eine andere Sünde begeht – beispielsweise, derjenige, der über andere lästert und wir zu ihm sagen: „Fürchte Allah, der Gesandte Allahs (sallallahu alayhi wa sallam) hat gesagt: "Ghibah ist, wenn du über deinen Bruder etwas sagst, was er nicht möchte." und der Mann, (der lästert,) daraufhin sagt: „Es gibt kein ,Der Gesandte hat gesagt‘ oder ähnliches“, dann hat er Kufr begangen.
In diesem Fall gilt das gleiche Urteil über alle islamischen Angelegenheiten, unabhängig davon, ob es verpflichtende Taten sind oder ob es um verbotene Dinge geht, von denen wir uns fern halten müssen. Und wenn jemand irgendeine verbotene Tat in seinem Herzen als erlaubt ansieht, dann ist er ungläubig. Aber wenn er eine verbotene Tat begeht und daran glaubt, dass es haram ist, dann ist er nicht ungläubig.
Also gibt es keinen Unterschied bei den islamischen Angelegenheiten, egal ob es Verpflichtungen oder Verbote sind. Die Verpflichtungen müssen ausgeführt werden und es ist nicht erlaubt, diese zu unterlassen, aber wer auch immer diese aus Faulheit unterlässt, dann ist es nicht erlaubt, diesen als Ungläubigen zu bezeichnen. Wer diese Verpflichtung unterlässt, weil er diese leugnet, hat Kufr begangen. Genauso wie jemand, der eine verbotene Sache als erlaubt ansieht.

 

Hadith Nr. 87

Von Hudhaifa bin al-Yaman wird berichtet, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: “Der Islam wird verblassen, so wie die Dekoration auf Gewändern ausbleicht, bis niemand mehr wissen wird, was Fasten, Gebet, die Rituale des Hajj oder Sadaqa ist. Und das Buch Allahs wird (von den Mushafs und den Brüsten der Menschen) entzogen werden, und nicht einmal eine Ayah wird auf der Erde übrig bleiben. Und Gruppen von (alten) Menschen werden zurückbleiben, die sagen werden: ‚Wir hörten unsere Vorväter sagen: ‚La ilaha illallah‘, also sagen wir es auch.‘“
Dann sagte Silah bin Zufar zu Hudhaifa: „Was wird ‚La ilaha illallah‘ ihnen nutzen, wenn sie nicht einmal wissen, was Gebet, Fasten, die Rituale des Hajj oder Sadaqa ist?“ Hudhaifa wandte sich von ihm ab. Dann wiederholte Silah seine Aussage drei Mal und jedes Mal wandte sich Hudhaifa von ihm ab. Dann drehte Hudhaifa sich zu Silah und sagte ihm drei Mal: „O Silah! Dies wird sie vor dem Höllenfeuer retten.“ (Sahih ibn Majah, Nr. 3289)

Das Kommentar von Scheikh Albaani: Diese Überlieferung beinhaltet einen wichtigen Punkt des Fiqh, welcher ist, dass derjenige, der bezeugt, dass niemand würdig ist, angebetet zu werden außer Allah, sicher davor ist, für immer in Jahannam zu verweilen, selbst wenn dieser keine einzige der Säulen des Islam erfüllt, wie das Gebet usw. Und es ist bekannt, dass die Gelehrten einen Unterschied zwischen jemandem machen, der das Gebet unterlässt, aber an die Verpflichtung glaubt.

Die Mehrheit der Gelehrten ist der Meinung, dass er dadurch keinen Kufr begangen hat, aber ungehorsam gegenüber Allah war; und Imam Ahmad war – gemäß einer Überlieferung - der Meinung, dass derjenige (der das Gebet unterlässt) Kufr begangen hat und dass er umgebracht werden muss aufgrund von Abtrünnigkeit und nicht als eine verordnete Strafe. Und es wird authentisch von den Gefährten überliefert, dass sie kein Unterlassen einer Tat als Kufr angesehen haben, außer dem Unterlassen des Gebets. At-Tirmidhi und al-Hakim überlieferten dies.
Und ich glaube, dass die korrekte Ansicht die Meinung der Mehrheit der Gelehrten ist; und was von den Gefährten berichtet wurde, zeigt nicht eindeutig, dass sie damit den Kufr meinen, der einen für immer ins Höllenfeuer bringt und der es einem unmöglich macht, dass Allah einem vergibt. Wie kann das sein, wenn Hudhaifa bin al-Yaman, der einer der früheren Gefährten war, diese Antwort Silah bin Zufar gab, der die Angelegenheit genauso wie Ahmad verstanden hat? Silah sagte: „Was wird 'La ilaha illallah' ihnen nutzen, wenn sie nicht wissen, was das Gebet ist ...“ und Hudhaifa antwortete drei Mal, nachdem er sich von ihm abgewandt hatte: „Oh Silah, dies wird sie vor dem Höllenfeuer bewahren.“

Dies ist eine klare Aussage von Hudhaifa (radiya-llahu anhu), dass derjenige, der das Salah unterlässt (aber trotzdem an dessen Verpflichtung glaubt), kein Kafir ist, sondern ein Muslim, der vor dem ewigen Höllenfeuer bewahrt ist.

Scheikh al-Albaani, rahimahullah

Silsilatul-huda wan-nuur, Tape Nr. 8

 

Anmerkung: siehe auch: