Manch einer sagt – und dies wurde tatsächlich gesagt:
„Warum beschäftigt ihr euch immer mit dem Tauḥīd und sprecht so viel darüber?! Warum behandelt ihr nicht die aktuellen Angelegenheiten der Muslime – jene, die auf der Erde getötet und vertrieben werden, und die von den Ländern der Ungläubigen an jedem Ort verfolgt werden?

Wir antworten – und der Erfolg liegt bei Allāh:

Der Tauḥīd ist das Fundament, auf dem die ḥanīfische Religion aufgebaut wurde. Die Beschäftigung mit ihm ist daher eine Beschäftigung mit dem Fundament. Wenn wir den edlen Qurʾān mit Nachsinnen betrachten, erkennen wir, dass er den Tauḥīd in vollständiger Weise erklärt. Es gibt nahezu keine Sūrah im Qurʾān, in der der Tauḥīd nicht behandelt, erläutert und sein Gegenteil verboten wird.

Imām Ibn al-Qayyim (rahimahullah) stellte fest, dass sich der gesamte Qurʾān im Grunde um den Tauḥīd dreht:

  • Entweder ist es eine Kundgabe über Allāh, Seine Namen und Seine Eigenschaften – und das ist der at-Tauīd al-ʿIlmī, also der Tauīd ar-Rubūbīyyah;
  • oder ein Befehl zur Anbetung Allāhs allein und zum Verbot des Götzendienstes – und dieser nennt sich at-Tauīd al-ʿAmalī a-Ṭalabī, also der Tauīd al-Ulūhīyyah;
  • oder ein Befehl zum Gehorsam gegenüber Allāh und Seinem Gesandten () und ein Verbot des Ungehorsams gegenüber Allāh und Seinem Gesandten () und das gehört zu den Rechten des Tauḥīds und zu seiner Vollkommenheit.
  • Oder es ist eine Kundgabe darüber, was Allāh für die Muwaḥḥidūn an Wonne, Erfolg, Rettung und Sieg im Diesseits und im Jenseits vorbereitet hat
  • oder eine Kundgabe darüber, was den Götzendienern an Strafe im Diesseits und im Jenseits widerfahren ist oder was ihnen im Jenseits an ewiger und andauernder Strafe in der Hölle vorbereitet ist.

Dies gilt für jene, die den Tauḥīd verwirklichen, und für jene, die ihn vernachlässigen.[1]

So dreht sich der gesamte Qurʾān im Kern um den Tauḥīd. Und wenn du die mekkanischen Suren betrachtest, wirst du feststellen, dass der Großteil von ihnen den Tauḥīd behandelt. Denn der Prophet () verweilte dreizehn Jahre in Makka und rief einzig und allein zum Tauḥīd auf und verbot den Götzendienst.

Die meisten Pflichten wie Zakāh, Fasten, Ḥaǧǧ und andere Angelegenheiten des Erlaubten und Verbotenen sowie Angelegenheiten der Geschäfte und gesellschaftlichen Beziehungen wurden erst nach der Auswanderung nach Madīna offenbart, außer das Gebet – denn es wurde ihm () in Makka auferlegt, in der Nacht der Miʿrāǧ, als er auf die Himmelsreise erhoben wurde[2], und zwar kurz vor der Auswanderung nach Madīna.

Deshalb waren die meisten mekkanischen Sūren, die dem Propheten (ﷺ) vor der Auswanderung nach Madīna offenbart wurden, ganz auf die Angelegenheit des Tauḥīd ausgerichtet.

Dies zeigt die enorme Bedeutung des Tauḥīds. Denn die religiösen Pflichten wurden erst dann offenbart, nachdem der Tauḥīd gefestigt und im Inneren der Menschen verankert war und die korrekte ʿAqīda deutlich wurde. Denn die Taten sind nur mit dem Tauḥīd gültig und lassen sich nur auf der Grundlage des Tauḥīds aufbauen.

Und der Qurʾān hat verdeutlicht, dass die Gesandten (ﷺ) das Erste, womit sie ihre Daʿwa begannen, der Aufruf zum Tauḥīd war – noch bevor sie zu irgendetwas anderem aufriefen.

Allāh, der Erhabene, sagt:

﴿وَلَقَدْ بَعَثْنَا فِي كُلِّ أُمَّةٍ رَسُولًا أَنِ ٱعْبُدُواْ ٱللَّهَ وَٱجْتَنِبُواْ ٱلطَّاغُوتَ﴾

„Und Wir haben gewiss in jeder Gemeinschaft einen Gesandten erweckt: ‚Dient Allāh und meidet die falschen Götzen!‘“[3]

Und Er, der Erhabene, sagt:

﴿وَمَآ أَرْسَلْنَا مِن قَبْلِكَ مِن رَّسُولٍ إِلَّا نُوحِيٓ إِلَيْهِ أَنَّهُ لَآ إِلَـٰهَ إِلَّآ أَنَا۠ فَٱعْبُدُونِ﴾

„Und Wir haben vor dir keinen Gesandten gesandt, ohne dass Wir ihm offenbart hätten: ‚Es gibt keinen Anbetungswürdigen außer Mir, so dient Mir!‘“[4]

Und jeder Prophet sagte zu seinem Volk:

﴿يَٰقَوْمِ ٱعْبُدُواْ ٱللَّهَ مَا لَكُم مِّنْ إِلَـٰهٍ غَيْرُهُ﴾

„O mein Volk, dient Allāh! Ihr habt keinen Anbetungswürdigen außer Ihm!“[5]

So war das die Vorgehensweise aller Gesandten: den Beginn der Daʿwa mit dem Tauḥīd.

Ebenso ist es bei den Gefolgsleuten der Gesandten unter den Daʿwa-Trägern und Heilstiftern: Auch sie widmen ihre erste Aufmerksamkeit dem Tauḥīd. Denn jede Daʿwa, die sich nicht auf den Tauḥīd gründet, ist eine gescheiterte Daʿwa, die ihre Ziele nicht erreicht und ohne jegliches Ergebnis bleibt. Jede Daʿwa, die den Tauḥīd an den Rand drängt und ihm keine Beachtung schenkt, ist eine verlorene Daʿwa in ihren Ergebnissen.

Und das ist eine bekannte und beobachtbare Realität.

Und jede Daʿwa, die den Tauḥīd in den Mittelpunkt stellt, ist – mit Allāhs Erlaubnis – erfolgreich, bringt Früchte hervor und nützt der Gesellschaft. Das ist aus den Begebenheiten der Geschichte wohlbekannt.

Wir vernachlässigen die Anliegen der Muslime keineswegs. Im Gegenteil: Wir kümmern uns um sie, unterstützen sie und bemühen uns, das Unrecht von ihnen mit allen verfügbaren Mitteln abzuwenden. Es fällt uns keineswegs leicht, mitanzusehen, wie Muslime getötet und vertrieben werden.

Doch das wahre Interesse an den Angelegenheiten der Muslime besteht nicht darin, dass wir klagen, uns gegenseitig bemitleiden, und die Welt mit Gerede und Geschriebenem, mit lautem Klagen und Geschrei füllen. Denn all das nützt nichts.

Die wahre Lösung für die Angelegenheiten der Muslime liegt vielmehr darin, dass wir zunächst nach den Ursachen forschen, die diese Strafen über die Muslime gebracht und ihre Feinde über sie die Macht erlangten.

Was ist der Grund dafür, dass die Feinde Macht über die Muslime erlangt haben?

Wenn wir auf die islamische Welt blicken, stellen wir fest, dass die meisten, die sich dem Islām zuschreiben, in Wirklichkeit nicht am Islām festhalten – außer denen, denen Allāh Barmherzigkeit erwiesen hat. Sie sind namentlich nur Muslime. Die Aqīdah fehlt den meisten von ihnen:

Sie beten andere als Allāh an, klammern sich an Awliyāʾ und Rechtschaffenen, an Gräber und Schreine. Sie verrichten das Gebet nicht, zahlen keine Zakāh, fasten nicht, und führen nicht das aus, was Allāh ihnen auferlegt hat – dazu gehört auch die Vorbereitung auf den ǧihād gegen die Ungläubigen! So steht es um viele von denen, die sich dem Islām zuschreiben: Sie haben ihre Religion vernachlässigt – und so ließ Allāh, der Erhabene, sie verloren gehen.

Der wichtigste Grund für die Strafen, die ihnen widerfahren sind, ist ihre Vernachlässigung des Tauḥīd und ihr Hineinfallen in den großen Schirk.
Sie untersagten ihn einander nicht und lehnten ihn auch nicht ab.
Wer ihn selbst nicht begeht, lehnt ihn auch nicht ab.

Wie dies – so Allāh will – noch später näher erläutert wird.

Dies also ist der Hauptgrund für die Strafen, die den Muslimen widerfahren sind.

Und wenn sie sich an ihre Religion gehalten hätten, ihren Tauḥīd verwirklicht und ihre Aqīdah auf Grundlage von Kitāb und Sunnah aufgebaut hätten,
und sich gemeinsam an Allāhs Seil festgehalten und sich nicht gespalten hätten – dann wäre ihnen nicht widerfahren, was ihnen widerfahren ist.

Allāh, der Erhabene, sagt:

﴿وَلَيَنصُرَنَّ ٱللَّهُ مَن يَنصُرُهُ ۗ إِنَّ ٱللَّهَ لَقَوِىٌّ عَزِيزٌ ﴾
﴿ٱلَّذِينَ إِن مَّكَّنَّـٰهُمْ فِى ٱلْأَرْضِ أَقَامُوا ٱلصَّلَوٰةَ وَءَاتَوُا ٱلزَّكَوٰةَ وَأَمَرُوا بِٱلْمَعْرُوفِ وَنَهَوْا عَنِ ٱلْمُنكَرِ ۗ وَلِلَّهِ عَـٰقِبَةُ ٱلْأُمُورِ﴾

„Und Allah wird doch demjenigen zum Sieg verhelfen, der Seiner zum Sieg verhilft. Gewiß, Allah ist doch allkraftvoll, allwürdig! Das sind diejenigen, die, wenn Wir ihnen eine feste Stellung auf der Erde verleihen, das Gebet verrichten und die Abgabe entrichten, das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten. Und Allah gehört das Ende der Angelegenheiten.“[6]

So klärt Allāh, der Erhabene, auf, dass der Sieg nicht für die Muslime eintritt, außer durch diese tragenden Säulen, die Allāh, der Erhabene, genannt hat: die Verrichtung des Gebets, das Entrichten der Zakāh, das Gebieten des Guten und das Verbieten des Schlechten.

Doch wo sind diese Dinge heute im Zustand der Muslime? Wo ist das Gebet bei vielen von denen, die sich zum Islām bekennen?!

Allāh, der Erhabene, sagt:

﴿وَعَدَ ٱللَّهُ ٱلَّذِينَ آمَنُوا مِنكُمْ وَعَمِلُوا ٱلصَّـٰلِحَـٰتِ لَيَسْتَخْلِفَنَّهُمْ فِى ٱلْأَرْضِ كَمَا ٱسْتَخْلَفَ ٱلَّذِينَ مِن قَبْلِهِمْ وَلَيُمَكِّنَنَّ لَهُمْ دِينَهُمُ ٱلَّذِى ٱرْتَضَىٰ لَهُمْ وَلَيُبَدِّلَنَّهُم مِّنۢ بَعْدِ خَوْفِهِمْ أَمْنًا﴾

„Allāh hat denen von euch, die glauben und rechtschaffene Werke tun, versprochen, dass Er sie gewiss als Nachfolger auf der Erde einsetzen wird, so wie Er diejenigen vor ihnen eingesetzt hat, und dass Er für sie ihre Religion festigen wird, die Er für sie auserwählt hat, und dass Er ihnen nach ihrer Angst Sicherheit gewähren wird…“[7]

Doch wo ist die Bedingung für dieses Versprechen?

﴿يَعْبُدُونَنِى لَا يُشْرِكُونَ بِى شَيْـًٔا﴾

„…sie dienen Mir und beigesellen Mir nichts.“[8]

So hat Allāh klargestellt, dass diese Nachfolge (in der Herrschaft) und dieses Machtverleihen nur eintreten, wenn die genannte Bedingung erfüllt wird –
nämlich Ihm allein zu dienen, ohne Ihm irgendwelche Teilhaber beizugesellen. Und das ist der Tauḥīd.

Diese edlen Verheißungen gelten also nur für jene, die den Tauḥīd verwirklichen, indem sie Allāh allein anbeten, ohne Ihm irgendwelche Partner beizugesellen.

Zur Anbetung Allāhs gehört das Gebet, das Fasten, die Zakāh, der Ḥaǧǧ und alle anderen Gehorsamshandlungen.

Allāh, der Erhabene, sagte nicht nur: „…sie dienen Mir“, sondern ergänzte es mit:

﴿لَا يُشْرِكُونَ بِى شَيْـًٔا﴾

„…und beigesellen Mir nichts.“[9]

Denn die Anbetung nützt nichts, wenn Schirk begangen wird. Vielmehr ist es zwingend erforderlich, jeglichen Schirk zu meiden – ganz gleich welcher Art, in welcher Form oder unter welchem Namen.

Denn Schirk ist: einen Teil der Anbetung an jemand anderen als Allāh, den Erhabenen, zu richten.

Das ist der Grund für Rettung, Heil, Sieg und Festigung auf Erden: die Korrektheit der Aqīdah und der Taten. Ohne dies drohen Strafen und Katastrophen, die diejenigen treffen können, die bei dieser Bedingung, die Allāh genannt hat, nachlässig sind. Diese Katastrophen und diese Übermacht der Feinde haben ihre Ursache darin, dass die Muslime diese Bedingung vernachlässigt und in ihrer Aqīdah und ihrer Religion nachlässig gehandelt haben, und sich damit begnügt haben, sich nur namentlich zum Islām zu bekennen.

Scheich Ṣāliḥ al-Fauzān, hafidhahullah

Quelle: Durūs min al-Qur’ān al-Karīm, Seite 5-11

Übersetzung: Khawer Malik


[1] Siehe: „Madāriǧ as-Sālikīn“ von Imām Ibn al-Qayyim (3/468), sinngemäß wiedergegeben.

[2] Wie im Mutawātir Ḥadīth über die Nachtreise überliefert wurde; sowie vom Āḥād-Ḥadīth besteht Einigkeit, überliefert von Anas. Al-Buchārī in Kitāb at-Tauḥīd, Kapitel: 37, Nr. 7517 und 13/583, Muslim in Kitāb al-Īmān, Kapitel: 74, Nr. (163)

[3] Sūrah an-Naḥl, 16:36

[4] Sūrah al-Anbiyāʾ, 21:25

[5] Sūrah al-Aʿrāf, 7:59

[6] Sūrah al-Ḥaǧǧ, 22:40–41

[7] Sūrah an-Nūr, 24:55

[8] Sūrah an-Nūr, 24:55

[9] Sūrah an-Nūr, 24:55