Mein Vater ist gestorben, meine Mutter ist gestorben – ist damit die Frömmigkeit zu Ende? Nein! Frömmigkeit gilt im Leben und nach dem Tod.
Die Frömmigkeit zu Lebzeiten – Allah, erhaben ist Er, hat uns dafür Beispiele gegeben:
﴿فَلَا تَقُلْ لَهُمَا أُفٍّ وَلَا تَنْهَرْهُمَا وَقُلْ لَهُمَا قَوْلًا كَرِيمًا • وَاخْفِضْ لَهُمَا جَنَاحَ الذُّلِّ مِنَ الرَّحْمَةِ وَقُلْ رَبِّ ارْحَمْهُمَا كَمَا رَبَّيَانِي صَغِيرًا﴾
„So sag nicht zu ihnen: „Uff!“ und fahre sie nicht an, sondern sag zu ihnen ehrerbietige Worte. Und senke für sie aus Barmherzigkeit den Flügel der Demut und sag: „Mein Herr, erbarme Dich ihrer, wie sie mich aufgezogen haben, als ich klein war.“ [Surah al-Isrā’, 23–24]
Wenn bereits das Wort „Uff“ nicht gegenüber den Eltern erlaubt ist – ist dann das Schlagen erlaubt? Ist das Schmähen erlaubt?
Ist es erlaubt, dass ein Mensch seine Ehefrau und Kinder seinen Eltern – seinem Vater und seiner Mutter – vorzieht?
Uns ist die Geschichte des jungen Mannes überliefert worden, oder vielmehr die Geschichte der drei Männer, die vom nächtlichen Aufenthalt in einer Höhle Schutz suchten – und ein Felsbrocken versperrte den Höhleneingang. Ein Fels löste sich vom Berggipfel, rollte herab und verschloss die Höhle vollständig, sodass sie keinen Ausweg mehr fanden.
Sie schauten nach rechts und links: „Was sollen wir tun?“ Niemand weiß von ihnen. Sie blickten einander an und sagten: „Bei Allah, nichts wird euch heute retten außer dass ihr euch mit rechtschaffenen Taten Allah nähert.“
Jeder von euch, der eine rechtschaffene Tat begangen hat, soll sich damit Allah annähern, sich damit Ihm zuwenden, Ihn mit dieser Tat anflehen – vielleicht wird Allah, der Erhabene, uns aus dieser Bedrängnis befreien, in der wir uns befinden.
Die Bedrängnis war gewaltig – Tod, Verderben – niemand weiß etwas von ihnen. Im offenen Land fanden sie Unterschlupf, und da sie keinen anderen Ort hatten, gingen sie in die Höhle. Doch ein Fels verschloss ihre Höhle. Wer weiß von ihnen außer Allah? Niemand.
Da trat der erste vor und näherte sich Allah, gepriesen sei Er, mit der Frömmigkeit gegenüber seinen Eltern:
„O mein Herr, ich hatte alte Eltern, ich hatte Kinder und eine Ehefrau, und ich gab niemals jemandem vor ihnen zu trinken. Ich ging hinaus, um meine Tiere zu weiden, und brachte ich die Abendmilch, und gab sie zuerst meinem Vater und meiner Mutter. Danach gab ich meinen Kindern und meiner Ehefrau zu trinken. Eines Tages jedoch entfernte ich mich weiter beim Weiden, und ich kehrte erst spät zurück – da waren mein Vater und meine Mutter bereits eingeschlafen. Die Abendmilch war in meiner Hand. Ich hielt inne, ich gab keinem von ihnen zu trinken – weder Frau noch Kind – und die Kinder wimmerten unter dem Gefäß, weil sie trinken wollten. Doch ich gab niemandem zu trinken, bis meine Eltern aufwachten. O Allah, wenn ich dies aufrichtig um Deinetwillen getan habe, so befreie uns aus dem, was uns bedrängt.“
Der wahre Tawassul, nämlich: Sich mit einer aufrichtigen Tat Allah nähern. Sich mit dem, was man besitzt, Allah nähern. Allah, gepriesen sei Er, eine rechtschaffene Tat darbringen. Und dann zu sagen:
„O mein Herr, ich mache Tawassul mit dieser Tat!“
Du gibst Sadaqah,
du vollziehst die Hadsch,
du baust ein Haus für Waisen,
du baust eine Schule,
du gibst einem Bedürftigen oder einer Witwe,
du befreist einen Sklaven,
du vollziehst die Hadsch.
Du näherst dich Allah.
„O mein Herr, ich flehe Dich mit dieser rechtschaffenen Tat an, dass Du für mich dies und das und jenes tust.“
Dies ist der erlaubte Tawassul, auf dem die rechtschaffenen Vorfahren – möge Allah mit ihnen zufrieden sein – einheitlich waren.
Nicht der Tawassul der Unfähigen, der Achtlosen, die sich auf andere verlassen.
Scheich ‘Umar Fallātah, rahimahullah
Übersetzung: Khawer Malik