Frage:
Was ist das Urteil über einen Mann, der behauptet, dass er im Wachzustand die Jungfrau Maria sieht, während sie ´Isa (alayhi salam) stillt, den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) sieht, und der behauptet die Seelen der Gläubigen über den Gräbern schweben zu sehen? Er behauptet auch, Allah (subhanahu wa ta ´ala) gesehen zu haben.
Antwort:
Die Behauptung, man habe den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand gesehen, ist eine falsche Aussage. Ebenso falsch, wie die Aussage Maria, ihren Sohn (alayhi salam), die Seelen der Gläubigen und Allah gesehen zu haben.
Möge Allah uns Erfolg gewähren und Frieden und Segen seien auf dem Propheten, seiner Familie und seinen Gefährten!
Das Ständige Komitee für wissenschaftliche Forschung und Rechtsfragen
(`Abdullah ibn Ghudayyan, `Abdul-Razzaq `Afify, `Abdul-`Aziz ibn `Abdullah ibn Baz)
Fatawa al-Lajnah ad-Daima; Frage 1
Frage:
Es gibt einige Brüder und Schwester die behaupten, den Engel Jibril und den Propheten Muhammad (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand mit bloßem Auge gesehen zu haben. Ist das wirklich möglich?
Antwort:
Schaykh ’Ummar al-Aschqar [1] sagte:
„Dadurch, dass die Engel ja Geschöpfe aus Licht sind, können Menschen sie nicht sehen, zumal Allah unseren Augen nicht die Fähigkeit gegeben hat, die Engel sehen zu können. Niemand aus dieser Ummah hat jemals behauptet, die Engel in ihrer wahren Gestalt gesehen zu haben, ausgenommen der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam). Er sah zweimal Jibril in der Gestalt, indem ihn der erhabene Allah erschuf. Die Schriften zeigen, dass Menschen die Engel nur dann sehen können, wenn diese eine menschliche Gestalt angenommen haben." [2]
Er sagte weiter im Zusammenhang, dass die Gesandten Menschen waren und widerspricht damit denen, die sagten, sie seien Engel gewesen:
„Es ist schwer die Engel zu sehen. Als die Ungläubigen forderten, die Engeln sehen zu wollen und deshalb erwarteten, dass der Gesandte, der zu ihnen geschickt wird, ein Engel sein muss, sie nicht die Beschaffenheit der Engeln verstanden und die Schwierigkeit und die Beschwernis, welches sie dadurch ausgesetzt wären, hätten sie die Engeln gesehen.
Das Kontaktieren und Sehen der Engel ist keine einfache Sache. Obwohl der Gesandte Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) der beste Geschöpf der Menschheit war und die körperliche und geistige Stärke in einem hohen Maße besaß, war er (sallAllahu alayhi wa sallam) trotzdem angeschlagen durch die immense Angst die ihn ergriff, als er (sallAllahu alayhi wa sallam) Jibril in seiner wahren Gestalt sah und floh deshalb zurück in sein Haus, während sein Herz weiter zitterte. Er (sallAllahu alayhi wa sallam) erlitt große Beschwernisse, als die Offenbarung zu ihm herabgesandt wurde. Daher sagte Allah, um diese Behauptung zu widerlegen:
"Am Tag, da sie die Engel sehen, an dem Tag wird es für die Übeltäter keine frohe Botschaft geben, und sie (die Engel) werden sagen: Das (der Zugang zu Paradiesgarten) sei (euch) verwehrt und versperrt!" [3]
Dies wird so sein, da die Ungläubigen die Engel nur während des Sterbens sehen werden oder wenn die göttliche Bestrafung herunterkommt. Das heißt, wenn sie in die Lage kommen die Engel zu sehen, wird es der Tag ihres Unterganges sein.
Es war notwendig menschliche Propheten zu schicken, um die Menschheit ansprechen zu können. Denn nur so konnte die Menschheit sie (die Propheten) verstehen und von ihnen lernen. Hätte der erhabene Allah die Propheten in einer Gestalt von Engeln herabgesandt, dann wäre es nicht so einfach gewesen.
"Und nichts anderes hielt die Menschen davon ab zu glauben, als die Rechtleitung zu ihnen kam, außer dass sie sagten: „Hat denn Allah ein menschliches Wesen als Gesandten geschickt?“ Sag: Wenn es auf der Erde Engel gäbe, die (da) in Ruhe umhergingen, hätten Wir ihnen vom Himmel wahrlich einen Engel als Gesandten hinabgesandt." [4]
Da die Erde von Menschen bewohnt wird, hat der erhabene Allah in Seiner Gnade und Weißheit Seine Gesandten aus derselben Gattung herabgesandt.
"Allah hat den Gläubigen wirklich eine Wohltat erwiesen, als Er unter ihnen einen Gesandten von ihnen selbst geschickt hat." [5]
Da Menschen nicht einfach Engel sehen und von ihnen lernen können bedeutet dies, wenn Allah einen Engel zu der Menschheit als Gesandten geschickt hätte, hätte Er ihn als einen Mann (in menschlicher Gestalt) erschaffen:
"Und wenn Wir ihn (den Gesandten auch) zu einem Engel gemacht hätten, so hätten Wir ihn (doch) wahrlich zu einem Mann (menschlicher Gestalt) gemacht, und wir hätten ihnen wahrlich verdeckt, was sie zu verdecken suchten (d.h. Wir hätten ihnen die Antwort auf ihre Frage, ob es sich beim Gesandten um einen Menschen oder um einen Engel handelt, noch verworrener gemacht)." [6]
Sie wären verwirrt gewesen, da seine Erscheinung trotzdem in menschlicher Gestalt wäre und sie somit nicht in der Lage wären zu überprüfen, ob er nun ein Engel ist oder nicht. Dies ist das Argument, warum sie keinen Gesichtspunkt hätten, Engeln als Gesandten in dieser Art und Weise zu schicken. Vielmehr würde das schicken der Engel als Gesandten in dieser Art und Weise das vorgesehene Ziel nicht erreichen, weil ein Gesandter als Engel nicht das fühlen kann, was Menschen fühlen. Er könnte nicht Anteil an deren Emotionen und Reaktionen haben, auch wenn er ihnen in ihrer Gestalt erscheinen wäre." [7]
Abu l-’Abbas al-Qurtubi [8] sagte, um denen die behaupten, dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand gesehen werden kann zu widersprechen:
„Diese Meinung, dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand gesehen werden kann, kann einfach und vernünftig widerlegt werden. Denn dies würde ja voraussetzen, dass niemand ihn (sallAllahu alayhi wa sallam) in der Gestalt sehen kann, in der er gestorben ist, und dass zwei Menschen ihn (sallAllahu alayhi wa sallam) in der selben Zeit an zwei verschiedenen Orten sehen können, und dass er (sallAllahu alayhi wa sallam) manchmal ins Leben kommt und damit sein Grab verlässt, über dem Marktplatz geht und mit den Menschen spricht. Dies würde ja wiederum voraussetzen, dass sein Körper nicht mehr im Grabe liegt, und dass nur ein (leeres) Grab besucht wird und Salam zu einem gesagt wird, der nicht dort liegt, da er (sallAllahu alayhi wa sallam) nachts und tagsüber außerhalb seines Grabes in seiner wahren Gestalt (sallAllahu alayhi wa sallam) gesehen wird.“ [9]
Al-Hafidh Ibn Hajjar al-’Asqallani gab an, dass Ibn Abi Jumrah erzählte, dass einige der Sufis den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Traum und danach im Wachzustand gesehen haben wollten und ihn dann über einige Dinge fragten, die sie beunruhigten, sodass er (sallAllahu alayhi wa sallam) ihnen mitteilte, wie sie diese zu bewältigen haben. Sie folgten seinem Rat (sallAllahu alayhi wa sallam) und erreichten den gewünschten Erfolg.
Al-Hafidh kommentierte dieses wie folgt: „Dies ist schon sehr merkwürdig! Wenn wir davon ausgehen sollten, dass so etwas vorkommen kann, dann hieße es doch, dass diese Personen nun zu Gefährten (Sahabah) geworden sind und dass es weiterhin Sahabah geben wird bis zum Tage der Auferstehung. Doch dies wird mit der Tatsache widerlegt, dass viele den Propheten im Traum gesehen haben ohne dass sie danach sagten, ihn auch im Wachzustand gesehen zu haben.“ [10]
Die Gelehrten des ständigen Komitees widerlegen die Ansichten von at-Tijani, indem sie sagen:
„Es gibt keinen nachweisbaren Bericht von den rechtgeleiteten Kalifen oder den Gefährten, welche ja die beste Menschen nach dem Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) waren darüber, dass diese jemals behaupteten, den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand gesehen zu haben. Es ist wohl bekannt und kein Moslem hat die Ausrede es nicht zu wissen, dass die Religion während der Lebzeit des Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) vollendet wurde und dass de erhabene Allah die Religion dieser Ummah vervollkommnet hat. Er, der Erhabene, vollendete Seine Gunst bevor Sein Gesandter (sallAllahu alayhi wa sallam) gestorben ist. Der erhabene Allah sagt im Quran:
"Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam als Religion für euch zufrieden." [11]
Nun gibt es keinen Zweifel mehr darüber, dass das, was Ahmad at-Tijani behauptet hat, nämlich dass er den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand gesehen haben will und dass er von ihm (sallAllahu alayhi wa sallam) mündlich die Tijani-Tareqah (Tijani-Orden) gelernt habe und dass er (sallAllahu alayhi wa sallam) ihm gesagt haben soll, wie er Allah gedenken soll und was er sagen soll, wenn er den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) Segenswünsche aussprechen möchte, verlogen und eine erwiesene Irreführung ist.“ [12]
Das Ständige Komitee sagt weiter:
„Der Gesandte Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) starb, nachdem er die komplette Botschaft erhalten hat und nachdem der erhabene Allah Seine Botschaft durch ihn (sallAllahu alayhi wa sallam) vervollkommnet hat. Seine Gefährten (radiAllahu anhum) entrichteten dann das Totengebet für ihn und beerdigten ihn dort, wo er gestorben ist, nämlich im Zimmer von ’A`ischah (radiAllahu anha). Nach ihm kamen die rechtgeleiteten Kalifen (radiAllahu anhum). Während dieser Zeit traten Geschehnisse auf, die unter Grundlage ihrer eigenen Beweisführung (Ijtihad) behandelt wurden. Sie verwiesen bei all diesen Dingen nicht auf den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam). Wer auch immer nach dem Tod des Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) behauptet, er würde den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Wachzustand sehen, mit ihm leben und sprechen, oder irgendetwas von ihm vor dem Tage der Auferstehung hören, seine Behauptungen falsch sind, da es den Schriften, den überlieferten Berichten und dem Gesetzt Allahs, das Er für Seine Schöpfung bestimmt hat, widerspricht.
Es gibt nichts in diesem Hadith was belegen könnte, dass man ihn (sallAllahu alayhi wa sallam) auf dieser Welt im Wachzustand sehen kann, weil es vom Sinn her nur so gedeutet werden kann, nämlich als „Wer mich im Traum sieht, der wird mich im Jenseits sehen“ oder als „Wer mich im Traum sieht, der wird die Bedeutung seines Traumes sehen“, da diese Art von Traum gemäß dem ist, was in anderen Überlieferungen steht, nämlich dass der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) gesagt hat: „… er hat mich in der Tat gesehen.“. Derjenige, der gläubig ist, wird in der Tat den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) im Traum in der Gestalt sehen können, in der er erschien ist, als er lebendig war.“ [13]
[1] Dr. ’Ummar Sulaiman al-Aschqar ist der Direktor der Fakultät für Islamrecht in der al-Zarqa` Universität in Jordanien. Er verfasste bedeutsame Bücher wie al-Jannah wa an-Nar (Das Paradies und das Höllenfeuer), ’Aalam al-Jinn wa sch-Schayatin (Die Welt der Jinn und der Schayatin), ’Aalam al-Mala`ikah al-Abrar (Die Welt der edlen Engeln) und noch viele weitere.
[2] ’Aalam al-Mala`ikah al-Abrar, S. 11 („Die Welt der edlen Engeln“) von ’Ummar al-Aschqar
[3] Surah 25, al-Furqan , Ayah 22
[4] Surah 17, al-Isra` , Ayah 94f
[5] Surah 3, Al-i ’Imran, Ayah 164
[6] Surah 6, al-An’am , Ayah 9
[7] Ar-Rusul wa r-Risalah, 72, 73 (Die Gesandten und die Botschaften) von ‘Ummar al-Aschqar
[8] Abu l-’Abbas al-Qurtubi, besser bekannt als Imam Abu ’Abdullah al-Qurtubi, geboren in Cordoba (Spanien), lebte im 13. Jahrhundert und gilt als einer der größten Gelehrten im Hinblick auf Fiqh, Hadithe und Tafsir. Er verfasste al-Jami’ li Ahkam al-Quran, besser bekannt als Tafsir al-Qurtubi, welches als die klassischste Erläuterung des Quran gilt.
[9] Zitiert von Al-Hafidh Ibn Hajjar in Fath al-Bari, 12/384
[10] Fath al-Bari, 12/385
[11] Surah 5, al-Ma`idah, Ayah 3
[12] Fatawah al-Lajnah ad-Da`imah, 2/325, 326
[13] Fatawah al-Lajnah ad-Da`imah, 1/486, 487