Frage:

Das Ständige Komitee für Fataawa hat zahlreiche Anfragen zur Tätigkeit von Pyramidensystem-Unternehmen oder Network-Marketing (Multi-Level-Marketing) erhalten, wie etwa die Firmen „Business“ und „Hibbat al-Jazeerah“.

Deren Geschäftsmodell besteht darin, eine Person dazu zu bewegen, Dienstleistungen/Produkte zu kaufen, mit der Absicht, dass sie andere dazu bringt, die Dienstleistungen/Produkte ebenfalls zu kaufen, die wiederum andere überreden sollen, usw. Je mehr Ebenen von Mitgliedern es gibt, desto höher fällt für denjenigen, der ganz an der Spitze steht, seine Provision aus. Jedes Mitglied wirbt weitere Personen an, um eine hohe Provision zu erhalten, sofern es ihm gelingt, neue Kundschaft in seine Mitgliederliste aufzunehmen, die ihm in der Mitgliedskette nachfolgen.

Dies bezeichnet man als Pyramidensystem (auch Schneeballsystem) oder Network-Marketing.

Antwort:

Diese Art von Geschäftsmodell ist verboten (haram), da der eigentliche Zweck dieses Handels die Provisionen sind und nicht das Produkt selbst. Die Provisionen können Zehntausende erreichen, während der Produktpreis kaum ein paar Hundert beträgt. Jeder Vernünftige würde, stünde er vor der Wahl, die Provision der Ware vorziehen. Deshalb werben diese Firmen in ihrer Vermarktung gerade mit der Höhe der möglichen Provision und locken mit exorbitantem Gewinn für einen geringen Einsatz – nämlich den Dienstleistungs- bzw. Produktpreis. Das Produkt dient lediglich als Vorwand und Mittel, um Provisionen und Gewinne zu erlangen. Da dies die wahre Natur dieses Geschäftsmodells ist, ist es nach der Scharia aus folgenden Gründen verboten:

Erstens: Sie enthält Riba (Zins, Wucher, oder ein vertraglich vereinbarter Vorteil für eine Partei ohne gleichwertige Gegenleistung) in beiden Formen:

  • Riba al‑Faḍl ربا الفضل (ungleichwertiger Handelstausch)
  • Riba al‑Nasiʾah ربا النسيئة (zeitlich aufgeschobene Zahlung zu erhöhtem Preis)

Das Mitglied zahlt einen geringen Geldbetrag, um einen viel höheren zu erhalten – also Geld gegen Geld mit Mehrwert und Zeitverzögerung. Beide Formen fallen laut den Texten und dem Konsens der Gelehrten unter verbotene Riba-geschäfte. Das verkaufte „Produkt“ des Unternehmens ist nur ein Vorwand und dessen Verkauf wird vom Mitglied nicht wirklich angestrebt - es hat somit keinen Einfluss auf das Urteil.

Zweitelns: Es handelt sich um eine verbotene Form von Gharar (Unsicherheit, Spekulation), denn das Mitglied weiß nicht, ob es ihm gelingen wird, die erforderliche Anzahl neuer Mitglieder zu gewinnen oder nicht. Das Pyramidensystem oder Network-Marketing wird – egal wie lange es andauert – zwangsläufig ein Ende erreichen. Und das Mitglied weiß beim Eintritt in die Pyramide nicht, ob er sich in den oberen Ebenen befinden wird (und somit Gewinner ist) oder in den unteren Ebenen (und somit Verlierer ist). Die Realität zeigt, dass die meisten Mitglieder der Pyramide Verlierer sind – mit Ausnahme weniger an der Spitze. Der überwiegende Teil führt also zum Verlust [1]. Das ist das Wesen des Gharar: Man schwankt zwischen zwei möglichen Ausgängen, von denen der schlimmere häufiger eintritt. Und der Propheten () hat Gharar verboten, wie von Muslim in seinem Sahih überliefert.

Drittens: Es beinhaltet unrechtmäßigen Verzehr des Geldes anderer, da nur das Unternehmen und bestimmte ausgewählte Mitglieder davon profitieren – und zwar mit der Absicht, andere durch Trugschluss zu benachteiligen. Dies wurde im Qur'an ausdrücklich verboten, in der Aussage Allahs:

{ يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لا تَأْكُلُوا أَمْوَالَكُمْ بَيْنَكُمْ بِالْبَاطِلِ }

„O die ihr glaubt! Verzehrt euer Vermögen nicht untereinander in Ungerechtigkeit!“ (Surah An‑Nisaʾ 4:29)

Viertens: Es beinhaltet Täuschung, Ihrreführung und Betrug, indem das Produkt als eigentlicher Zweck der Transaktion dargestellt wird, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Zudem wird mit großen Provisionen geworben, die in der Regel gar nicht realisiert werden. Das ist eine betrügerische Handlung, die verboten ist. Der Prophet () sagte: „Wer uns betrügt, gehört nicht zu uns.“ (Sahih Muslim)

Und er sagte:

{ البيعان بالخيار ما لم يتفرقا ، فإن صدقا وبيّنا بورك لهما في بيعهما ، وإن كذبا وكتما محقت بركة بيعهما }

„Beide Vertragsparteien haben die Wahl, solange sie beieinander sind; wenn sie wahrhaftig und offen sind, wird ihr Geschäft gesegnet, doch wenn sie lügen und verheimlichen, wird der Segen ihres Geschäfts ausgelöscht.“ (Muttafaqun alayh - Einstimmig überliefert)

Zur Behauptung, es handle sich um eine Art von Maklergeschäften:

Das ist nicht zutreffend. Beim Marklergeschäft erhält ein Makler eine Vergütung für den Verkauf der Ware. Beim Network‑Marketing hingegen zahlt das Mitglied eine Gebühr, um selbst als Werbender tätig zu werden. Ziel ist nicht der Vertrieb des Produkts selbst wie im Falle der Marklertätigkeit, sondern das Anwerben weiterer Verkäufer, indem man die Provisionen vermarktet.

Deshalb wirbt das Mitglied für jemanden, der wiederum für jemanden wirbt, der wiederum für jemanden wirbt usw. Dies unterscheidet sich deutlich von der echten Maklertätigkeit, bei der der Makler für jemanden wirbt, der tatsächlich am Produkt interessiert ist.

Zur Behauptung, es handele sich um Schenkung (Hiba):

Auch das ist nicht korrekt. Und selbst wenn dies zugestanden würde, so ist nicht jede Schenkung in der Scharia erlaubt. Geschenke, die als Gegenleistung für ein Darlehen gegeben werden, sind ebenfalls Riba. Wie Abd Allah ibn Salam zu Abu Burdah (radiyAllahu anhum) sagte:

{ إنك في أرض ، الربا فيها فاش ، فإذا كان لك على رجل حق فأهدى إليك حمل تبن أو حمل شعير أو حمل قَتٍّ فإنه ربا }

„Du befindest dich in einem Land, in dem der Riba weit verbreitet ist. Wenn du bei jemandem eine Schuld hast und er schenkt dir eine Ladung Heu, Gerste oder Futter, dann ist das Ribā.“ (Sahih al‑Bukhari)

Geschenke unterliegen immer dem Grund, aus dem sie gegeben werden.

Deshalb sagte der Prophet () über einen Zakatsammler, der sagte: „Dies ist für euch und das ist mir geschenkt worden“ – folgendes:

{ أفلا جلست في بيت أبيك وأمك فتنظر أيهدى إليك أم لا؟ }

„Hättest du nicht im Haus deines Vaters oder deiner Mutter sitzen können und schauen, ob dir dann etwas geschenkt worden wäre oder nicht?“ (Muttafaqun alayh)

Diese Provisionen entstehen ausschließlich durch die Mitgliedschaft am Netzwerk-Marketing. Egal, wie man sie nennt – ob Geschenk, Schenkung oder anders – das ändert nichts an ihrer Wirklichkeit und ihrem Urteil.

Und bei Allah liegt der Erfolg. Möge Allah unseren Propheten Muhammad, seine Familie und seine Gefährten segnen und ihnen Frieden schenken.

Das Ständige Komittee für Fataawa

Quelle: Fataawa Al-Lajnah Ad-Da'imah, Fatwa Nr. 22935, datiert 14.3.1425 n.H. (03.05.2004 n.Chr.)

Übersetzung: Abu Davut Konyevi


[1] Anmerkung: Laut einer Studie erleiden die Mehrheit der Netzwerkmitglieder einen Geldverlust. Denn von ihrem Verdienst gingen Produktkäufe ab, die sie tätigen müssen, um sich für Provisionen und Beförderungen zu qualifizieren. (Quelle: Consumer Awareness Institute - The Case against Multi-level Marketing)