Frage:
Ich hoffe, Sie werden meinen Brief in seiner Gesamtheit lesen, damit sie meine folgenden Fragen verstehen:
- Wann wird eine Person als Abtrünnige bezeichnet - wir suchen Zuflucht bei Allah davor? Meine Frage mag merkwürdig erscheinen, aber es verwirrt mich doch sehr. Manchmal habe ich Andeutungen, welche mir das Gefühl geben, dass manche meiner Taten Abtrünnigkeit anzeigen, ich suche Zuflucht bei Allah davor. Ich möchte Sie darüber informieren, dass mein Herz im Glauben Ruhe findet, gepriesen sei Allah, aber wie schon gesagt, habe ich Zweifel bezüglich jeder meiner Taten, sogar bevor ich sie tue. Z.B. spreche ich mit einer oder mehreren Personen; bevor ich etwas sage, kommen mir Zweifel ob ich Worte des Kufr aussprechen werde, ich suche Zuflucht bei Allah. Demzufolge werde ich zögerlich und fange an zu stottern. Manchmal rede ich weiter und bekomme nicht die Chance neu zu überdenken, ob ich etwas sagen soll oder nicht; Ich erwische mich dabei, wie ich unfreiwillige Aussagen mache, ohne Kufr zu beabsichtigen, ich suche Zuflucht bei Allah. Danach attackieren mich meine Gedanken, ob ich nun abtrünnig geworden bin oder nicht. Manche der Dinge, die meine Einflüsterungen verstärken, sind die Menschen, die mich anstarren und erwarten, dass ich weiter rede. Ich finde dies eine sehr schwache Entschuldigung, so dass meine Zweifel weiter wachsen. Trotz alldem fühle ich, dass ich meine Religion niemals aufgeben werde, unabhängig von der Strafe, die mir angetan werden könnte, aber ich kann nicht verstehen was mit mir passiert, während ich spreche. Es ist solch ein eigenartiges und schmerzvolles Gefühl, dass ich manchmal nicht schlafen kann. Wenn ich versuche, es zu ignorieren, gelingt es mir nicht und die Gedanken kehren zurück. Sollte ich ein Bad nehmen (Ghusl), wie jemand es tut, wenn er den Islam neu annimmt? Werden meine Gebete ungültig sein, außer wenn ich ein Bad nehme? Werden alle meine früheren guten Taten nichtig, wie die eines Abtrünnigen? Soll ich zum Beispiel nochmal die Hadsch verrichten? Also, manchmal werde ich wütend und gestresst, wenn meine Gedanken in bestimmte Richtungen wandern – Ich kann sie nicht erwähnen - aber schnell schaffe ich es, mich zu kontrollieren und mich von diesen Gedanken zu entledigen – Ist dies Kufr? Ich suche Zuflucht bei Allah.
- Ich möchte auch sagen, dass ich einen Hadith las, welches aussagt, dass wenn ein Muslim seinen Bruder des Kufr beschuldigt, einer von beiden zum Kafir wird. Bedeutet dies, dass, wenn ein Muslim einen anderen des Kufr beschuldigt, er selber ein Kafir ist, d.h. ein Abtrünniger?
- Was ist, wenn ich fühle, dass jemand ein Kafir ist, ohne es auszusprechen? Ist der Aberglaube, wie das Glauben an die unglückliche Zahl 13 oder das Glauben an schlechte Vorzeichen, wenn man Nägel auf den Boden wirft, Kufr, wenn man bedenkt, dass derjenige, welcher dies tut, ein Muslim ist, der an das glaubt, womit Muhammed (sallallahu alayhi wa sallam) kam? Und wenn die Person dies bereut und nicht länger dem Aberglauben nachgeht, wird sein Fall der gleiche sein, wie der einer Person, die den Islam neu angenommen hat? Mit anderen Worten, sollte diese Person ein Bad (Ghusl) nehmen?
- Eine weitere Frage: Sind Zweifel und Einflüsterungen in einem selber Sünde, egal wie weit sie gegangen sind? Ich brauche manchmal sehr lange, diese Einflüsterungen abzuwehren.
- Zusammenfassend: Wann wird eine Person als Abtrünnig bezeichnet? Ich frage nicht, wie man einen Abtrünnigen erkennt, vielmehr will ich wissen, wie man die Abtrünnigkeit in einem selber erkennen kann? Ich suche Zuflucht bei Allah.
- Gelten beim Abtrünnigen dieselben Regeln wie beim Kaafir in Bezug auf das Baden, wenn man den Islam annimmt? Selbst wenn er sexuellen Verkehr oder einen feuchten Traum während seiner Abtrünnigkeit hatte?
- Eine weitere Frage: Hajj ist eine Pflicht, welche einmal im Leben verrichtet werden muss, außer im Falle eines Murtad (Abtrünnigen), gibt es andere Fälle, wo ein Muslim verpflichtet ist, die Hajj zu wiederholen?
Antwort:
Erstens: Es gibt viele Gründe, welche die eigene Religion null und nichtig machen können. Sie wurden von Gelehrten in ihren Diskussionen zum Urteil eines Abtrünnigen erklärt. Wenn jemand den Islam verlässt und dann wieder eintritt, so werden seine rechtschaffenen Taten, die er als Muslim verrichtet hat, nicht annulliert. Denn Allah sagt:
{وَمَن يَرْتَدِدْ مِنكُمْ عَن دِينِهِ فَيَمُتْ وَهُوَ كَافِرٌ فَأُولَـٰئِكَ حَبِطَتْ أَعْمَالُهُمْ فِي الدُّنْيَا وَالْآخِرَةِ ۖ وَأُولَـٰئِكَ أَصْحَابُ النَّارِ ۖ هُمْ فِيهَا خَالِدُونَ}
„Wer aber unter euch sich von seiner Religion abkehrt und dann als Ungläubiger stirbt -, das sind diejenigen, deren Werke im Diesseits und im Jenseits hinfällig werden. Das sind Insassen des (Höllen)feuers. Ewig werden sie darin bleiben.“ (Surah Al-Baqarah 2:217)
Zweitens: Ein Muslim wird nicht für solche satanischen psychologischen Vorstellungen und Einflüsterungen bestraft, welche nicht die Religion annullieren, besonders nicht, wenn man eine starke Überzeugung {عَقِيدَة} hat.
Anmerkung:
Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte : {إن الله تجاوز عن أمتي ما وسوست به صدورها ما لم تعمل به أو تتكلم}
„Wahrlich, Allah wird meiner Ummah jede Einflüsterung vergeben, die ihre Gedanken kreuzt, solange sie nicht danach handelt oder darüber spricht.“ (Al-Bukhari und Muslim)
Anmerkung Ende
Drittens: Du solltest diese üblen Gedanken abwehren, Zuflucht bei Allah vor ihnen suchen und sagen:
„Ich glaube an Allah und Seine Gesandten!“ {آمنت بالله ورسوله}
Halte dich mit Dhikr beschäftigt, rezitiere den Qur’aan und pflege Kontakt zu den guten Menschen. Ferner solltest du einen Arzt für mentale und neurologische Krankheiten (d.h. Psychiater) besuchen. [1]
Und fürchte Allah, so viel du kannst und wende dich Ihm zu, bei allem, was dich trifft. Du solltest Allah bitten, dich von dieser Bedrängnis zu befreien. Allah sagt:
{وَمَن يَتَوَكَّلْ عَلَى اللَّـهِ فَهُوَ حَسْبُهُ ۚ إِنَّ اللَّـهَ بَالِغُ أَمْرِهِ ۚ قَدْ جَعَلَ اللَّـهُ لِكُلِّ شَيْءٍ قَدْرًا}
„Und wer sich auf Allah verlässt, dem ist Er sein Genüge. Allah wird gewiss (die Durchführung) seine(r) Angelegenheit erreichen. Allah legt ja für alles ein Maß fest.” (Surah At-Talaaq 65:3)
Wir bitten Allah, dich zu heilen. Und Allahs Salah und Salam seien auf unserem Propheten Muhammad, sowie auf seiner Familie und seinen Gefährten.
Das Ständige Komitee für wissenschaftliche Forschung und Rechtsfragen
(`Abdul-`Aziz ibn `Abdullah ibn Baz, `Abdullah ibn Qa`ud, `Abdullah ibn Ghudayyan, `Abdul-Razzaq `Afify)
Fataawa al-Lajnah ad-Daa’imah lil buhuuth al-'Ilmiyyah wal-Iftaa', Fatwa Nr. 7654
[1] Anmerkung: es sei darauf hingewiesen das hier nicht klar ist, ob ein Psychiater, der Kaafir ist gemeint ist, oder ob dieser wissender Muslim sein muss, daher dem Patienten keinen Kufr oder sonstiges Übel des Nicht-islamischen, das der Schari’ah wiederspricht und entgegensteht einreden wird.