Frage:

Wir sind ein Ehemann und eine Ehefrau, die in Taiwan leben, und wir haben keine Kinder. Wir sind vierzig Jahre alt geworden und möchten ein ausgesetztes Neugeborenes und ein dreijähriges Mädchen adoptieren, wobei beide nicht aus derselben Familie stammen. Wir haben dieses Thema mit unserem Imam in Taipeh besprochen, und er hat uns an Seine Eminenz den Mufti im Königreich verwiesen, um eine richtige Meinung zu diesem Thema zu erhalten. Wir bitten Sie höflich um Ihre Stellungnahme zu dieser Angelegenheit und darum, wie wir mit ihnen von klein auf umgehen sollen, bis sie die Pubertät erreichen. Wir bitten Allah, alle Muslime auf den rechten Weg zu leiten. Möge Allah Sie mit Gutem belohnen.

Antwort:

Es ist euch nicht erlaubt, das ausgesetzte Kind noch das erwähnte Mädchen zu adoptieren, und ebenso wenig andere Kinder, die nicht eure leiblichen Kinder sind. Denn Allah hat die Adoption im Islam verboten und die Adoption aufgehoben, die in der Zeit der Dschāhiliyyah (Unwissenheit) und zu Beginn des Islam praktiziert wurde. Dazu gehört die Adoption von Zaid ibn Hāritha durch den Gesandten Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam). Allah, der Erhabene, sagt:

{ وَمَا جَعَلَ أَدْعِيَاءَكُمْ أَبْنَاءَكُمْ ۚ ذَٰلِكُمْ قَوْلُكُمْ بِأَفْوَاهِكُمْ ۖ وَاللَّهُ يَقُولُ الْحَقَّ وَهُوَ يَهْدِي السَّبِيلَ }

"Und Er hat eure angenommenen Söhne nicht (wirklich) zu euren Söhnen gemacht. Das sind eure Worte aus eurem (eigenen) Mund. Aber Allah sagt die Wahrheit, und Er leitet den (rechten) Weg." [Sūrat al-Ahzāb, Vers 4]

Ebenso hat der Gesandte Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) jedem Muslim und jeder Muslima verboten, einen Menschen, der nicht sein (leiblicher) Angehöriger ist, sich oder einem anderen zuzuschreiben, oder zu behaupten, er sei von jemandem oder einem bestimmten Stamm abstammend, während er (in Wirklichkeit) lügt. Darauf weist die Überlieferung von Abū Dharr (möge Allah mit ihm zufrieden sein) hin, der den Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam) sagen hörte:

{ ليس من رجل ادعى لغير أبيه وهو يعلمه إلا كفر، ومن ادعى قوما ليس له فيهم نسب فليتبوأ مقعده من النار }

»Kein Mann, der sich wissentlich einem anderen als seinem Vater zuschreibt, begeht etwas anderes als Kufr (Unglauben). Und wer sich Leuten zuschreibt, mit denen er nicht verwandt ist, der nehme seinen Sitz im Höllenfeuer ein.« (Überliefert bei al-Bukhārī und Muslim).

In einer anderen Überlieferung heißt es:

{ إن من أعظم الفرى أن يدعى الرجل إلى غير أبيه.. }

»Zu den größten Lügen gehört, dass ein Mann behauptet, von einem anderen als seinem Vater zu sein…« (Der Hadith geht weiter).

Daraus folgt, dass jeder Mensch seinem (leiblichen) Vater zugeschrieben werden muss. Wenn er keinen bekannten Vater hat, aber einen Walā’ (Schutzverhältnis), wird er diesem zugeschrieben. Und wenn er keinen Walā’ hat, nennt man ihn (Bruder) in der Religion, so spricht man ihn an mit: ‚Oh mein Bruder‘ oder ‚Oh meine Schwester‘, gemäß dem Wort Allahs, des Erhabenen:

{ ادْعُوهُمْ لِآبَائِهِمْ هُوَ أَقْسَطُ عِندَ اللَّهِ ۚ فَإِن لَّمْ تَعْلَمُوا آبَاءَهُمْ فَإِخْوَانُكُمْ فِي الدِّينِ وَمَوَالِيكُمْ ۚ وَلَيْسَ عَلَيْكُمْ جُنَاحٌ فِيمَا أَخْطَأْتُمْ بِهِ وَلَٰكِن مَّا تَعَمَّدَتْ قُلُوبُكُمْ }

"Nennt sie nach ihren Vätern; das ist gerechter vor Allah. Wenn ihr ihre Väter nicht kennt, dann sind sie eure Brüder in der Religion und eure Schützlinge. Es ist für euch keine Sünde in dem, was ihr an Fehlern begeht, sondern was eure Herzen vorsätzlich anstreben." [Sūrat al-Ahzāb, Vers 5]

Erlaubt ist es euch jedoch, gut zu ihnen zu sein und sie in eure Obhut zu nehmen, falls sie keine Angehörigen haben, die sich um sie kümmern. Dafür erhaltet ihr Lohn und Belohnung von Allah. Wenn sie bis zur Pubertät bei euch bleiben, ohne dass zwischen euch (und ihnen) ein rituell verbotener Stillen-Verwandtschaftsgrad (Radāʿ) besteht, sind sie euch gegenüber Fremde. Es ist dem Ehemann dann nicht erlaubt, mit der (fremden) Frau allein zu sein oder sie anzuschauen, und ebenso ist es der Ehefrau nicht erlaubt, mit dem (fremden) Mann allein zu sein oder ihn anzuschauen bzw. von ihm angeschaut zu werden. Die Frau muss sich dem Mann gegenüber in der vorgeschriebenen Weise verhüllen. Ebenso ist es euch nicht erlaubt, mit ihnen ohne Mahram (einen verwandten männlichen Begleiter) zu reisen. Und so verhält es sich auch zwischen dem Jungen und dem Mädchen, wenn sie die Pubertät erreichen und kein verbotener Stillen-Verwandtschaftsgrad zwischen ihnen besteht: Sie sind einander fremd, dürfen also nicht unbeaufsichtigt zusammensein. Die Frau muss sich vor ihm in der vorgeschriebenen Weise verhüllen, und er darf nicht ohne Mahram mit ihr verreisen. Auch darfst nicht du oder deine Ehefrau ihren Ehevertrag (das Nikāh) für das Mädchen abschließen. Wenn sie keinen Vormund (Walī) aus ihrer Verwandtschaft oder einen rechtmäßigen Bevollmächtigten haben und keine Asabah (männlichen Verwandten), so wird in dieser Angelegenheit auf den Imām oder seinen Stellvertreter wie einen Qādī (Richter) zurückgegriffen.

Und mit Allahs Hilfe. Und möge Allah unseren Propheten Muhammad, seine Familie und seine Gefährten segnen und ihnen Frieden schenken.

Das Ständige Komittee für wissenschaftliche Forschung und Fatwa

Quelle: Fataawa al-Lajnah al-Daa’imah, Fatwa Nr. 21328.


Das Urteil über die Abgeschiedenheit (Khalwa) des Mädchens mit ihrem Adoptivvater

Frage:

Wir sind ein Ehemann und eine Ehefrau, die in Taiwan leben, und wir haben keine Kinder. Wir sind vierzig Jahre alt geworden und möchten ein ausgesetztes Neugeborenes und ein dreijähriges Mädchen adoptieren, wobei beide nicht aus derselben Familie stammen. Wir haben dieses Thema mit unserem Imam in Taipeh besprochen, und er hat uns an Seine Eminenz den Mufti im Königreich verwiesen, um eine richtige Meinung zu diesem Thema zu erhalten. Wir bitten Sie höflich um Ihre Stellungnahme zu dieser Angelegenheit und darum, wie wir mit ihnen von klein auf umgehen sollen, bis sie die Pubertät erreichen. Wir bitten Allah, alle Muslime auf den rechten Weg zu leiten. Möge Allah Sie mit Gutem belohnen.

Antwort:

Die Adoption macht dich nicht zu einer Tochter dessen, der dich adoptiert hat, so wie es zur Zeit der Dschāhiliyyah (vorislamischen Unwissenheit) war. Vielmehr bezweckt sie Wohltätigkeit und die Erziehung des Kleinen sowie die Wahrnehmung seiner Interessen, bis er groß und vernünftig wird und seine Angelegenheiten selbst übernehmen kann und selbstständig im Leben wird. Wir hoffen von Allah, dass Er demjenigen Gutes tut, der dir Gutes getan hat. Doch er ist weder dein Vater noch ist er ein Mahram (ein unverheirateter männlicher Verwandter), daher musst du dich vor ihm verhüllen. Dies ist bei dir mit ihm so wie bei jedem Fremden, wobei man sein Wohlwollen mit Wohlwollen erwidert und seine Guttat mit Guttat – jedoch mit (gebotener) Verschleierung und ohne ungestörte Zweisamkeit (Khulwa). Und mit Allahs Hilfe. Möge Allah unseren Propheten Muhammad, seine Familie und seine Gefährten segnen und ihnen Frieden schenken.

Das Ständige Komittee für wissenschaftliche Forschung und Fatwa

Quelle: Fataawa al-Lajnah al-Daa’imah, Fatwa Nr. 10632. Übersetzung: Abu Davut Konyevi.