Frage an Islam Fatwa:
Was ist der Unterschied zwischen Wasiyyah (Vermächtnis) und Irth (Erbe)? Und darf man den Erben zusätzlich zu ihrem Anteil, was im Quran vorgeschrieben ist, weitere Erbanteile vermachen?
Antwort:
Allah sagt:
"Nach (der Verteilung) einer Wasiyyah (Vermächtnis), die beabsichtigt wurde, oder einer Schuld (die geschuldet wird)" [1]
In diesem Vers legt Allah die Gesetzgebung fest, wie das Erbe (irth) verteilt werden soll. Dann legt Er fest, dass das Erbe nach allen Wasiyyahs (Vermächtnissen) oder Schulden verteilt werden soll. Im nächsten Vers wiederholt Allah diese Unterscheidung drei weitere Male.
Aus der Sunnah des Propheten (sallallaahu ‘alayhe wa sallam):
"Wahrlich, Allah hat jeder Person ihre wahren Rechte gegeben, daher kann es kein Wasiyyah (Vermächtnis) für einen Waarith (jemanden, der Erbe erhält) geben, und das Kind gehört dem (Besitzer des) Bettes, und der Ehebrecher bekommt den Stein (d.h. nichts)..." [2]
Hier verbietet der Gesandte (sallallaahu ‘alayhe wa sallam) demjenigen, der Erbe erhält, auch ein Wasiyyah zu empfangen. Also sind sie offensichtlich zwei getrennte Dinge mit unterschiedlichen Regelungen.
Was genau ist dann eine Wasiyyah?
Ibn Rushd Al-Hafid (gest. 595), der Autor von Bidaayatul-Mujtahid, sagte: "Die Wasiyyah in Kürze ist, dass ein Mann nach seinem Tod ein Geschenk aus seinem Vermögen an eine andere Person oder eine Gruppe von Personen gibt, oder dass er seinen Sklaven freilässt, ob er das Wort 'Wasiyyah' speziell erwähnt oder nicht." [3]
Also ist die Wasiyyah das, was jemandem gemäß den Wünschen des Verstorbenen gegeben wird. Sie kann mündlich oder schriftlich ausgedrückt und dann bezeugt werden. Im Westen ist es ähnlich, wenn ein Mann jemanden in seinem Testament als Empfänger seines Hauses, Autos oder einer Geldsumme einträgt.
Uns wurde verboten, das Erbe (irth) von Nicht-Muslimen zu nehmen, gemäß dem authentischen Hadith: "Der Muslim darf das Erbe des Kafir (Nicht-Muslims) nicht nehmen, noch darf der Kafir das Erbe des Muslims nehmen." [4]
Gilt dieses Verbot auch für die Wasiyyah? Schauen wir uns einige Aussagen der Gelehrten an.
Die Aussagen der Gelehrten über die Wasiyyah eines Muslims an einen Nicht-Muslim
Was die Wasiyyah eines Muslims an einen Nicht-Muslim betrifft, so sind sich die Gelehrten einig, dass es erlaubt ist.
Ibn ‘Abdil-Barr (gest. 464) sagte: "Es gibt keinen Unterschied unter den Gelehrten, den ich kenne, über die Zulässigkeit, dass ein Muslim eine Wasiyyah an seinen nicht-muslimischen Verwandten gibt, da sie nicht von ihm erben. Und Safiyyah bint Huyay gab eine Wasiyyah an ihren jüdischen Bruder." [5]
Ibn Qudaamah Al-Maqdisi (gest. 620) sagte: "Die Zulässigkeit, dass ein Muslim eine Wasiyyah an einen Thimmi (Nicht-Muslim, der unter muslimischer Herrschaft lebt) gibt, wurde von Schurayh, Asch-Scha’bi, Ath-Thawri, Asch-Schaafi’i, Is-haaq und den Hanafis berichtet. Ich kenne niemanden, der ihnen widersprochen hat." [6]
Al-Maardini (gest. 912) sagte: "Es (die Wasiyyah) darf den armen Leuten eines bestimmten Gebietes oder einer Gruppe von ihnen und einem Thimmi, einem kleinen Kind oder einer verrückten Person gemäß dem Konsens der Gelehrten gegeben werden." [7]
Die Aussagen der Gelehrten über die Wasiyyah eines Nicht-Muslims an einen Muslim
Die Gelehrten sind sich auch einig, dass ein Muslim die Wasiyyah eines Nicht-Muslims annehmen darf.
Ibn Al-Munthir (gest. 318) sagte und stellte einen Konsens dar: "Alle Gelehrten, von denen wir lernen, sind sich einig, dass die Wasiyyah eines Thimmi (eines Nicht-Muslims, der unter muslimischer Herrschaft lebt) erlaubt ist, solange das gegebene Ding selbst erlaubt ist zu besitzen." [8]
Ibn Rushd Al-Hafid (gest. 595) sagte: "Und die Wasiyyah eines Nicht-Muslims ist nach Ansicht der Imame zulässig anzunehmen, solange die Wasiyyah selbst nicht etwas Verbotenes ist." [9]
Ibn Qudaamah Al-Maqdasi (gest. 620) sagte: "Wenn es also erlaubt ist, dass ein Muslim eine Wasiyyah an einen Thimmi gibt, dann hat eine Thimmi-Wasiyyah an einen Muslim oder an einen anderen Thimmi umso mehr Recht auf Legitimität." [10]
Muhammad ibn Saalih Al-‘Uthaymin (gest. 1421) sagte: "Wenn jemand fragt: 'Wie können die eigenen Eltern nicht als Waariths (Erben) betrachtet werden?' Die Antwort: Das ist möglich, wie wenn die Mutter oder der Vater eine andere Religion haben, dann nehmen sie kein Erbe, sondern sie können stattdessen eine Wasiyyah erhalten." [11]
Fazit
Fulaan (wie man im Arabischen So-und-So sagt) ist ein Muslim. Wenn einer von Fulaan’s nicht-muslimischen Verwandten stirbt und für Fulaan eine Geldsumme oder eine Art von Eigentum oder Vermögen hinterlässt und es für Fulaan spezifisch bestimmt, entweder schriftlich oder durch Rede oder Geste, und dieses Vermögen Fulaan dann angeboten wird, dann ist es Fulaan erlaubt, es anzunehmen, und es ist von Allahs erlaubten Gaben für ihn. Und Allah ist al-Muwaffiq, derjenige, der Erfolg gewährt.
Zusammengestellung: Abul-'Abbaas Moosaa Richardson
Quelle: SalafiTalk Archiv vom 04.11.2003. Übersetzung: Abu Davut Konyevi.
[1] Die Bedeutung von Sure An-Nisaa’ 4:11
[2] Sahih Sunan At-Tirmithi (#2120)
[3] Bidaayatul-Mujtahid (4/180)
[4] Al-Bukhaari und Muslim
[5] At-Tamhid (13/239)
[6] Al-Mughni (8/512)
[7] Irshaad Al-Faaridh (S.275)
[8] Al-Ijmaa’ (S.275)
[9] Bidaayatul-Mujtahid (4/173)
[10] Al-Mughni (8/512)
[11] Tafsir Soorah Al-Baqarah (2/309)