Frage an Islam Fatwa:

Könnten Sie erklären, wie die verschiedenen Lesarten (Qiraat) des Qurans entstanden sind? Mir ist bekannt, dass Abu Bakr (radiyallahu anh) nach der Schlacht von Yamamah den Quran in Buchform zusammenstellte. Ich bin jedoch unsicher über die weiteren Entwicklungen, insbesondere im Hinblick auf Uthman, dem vorgeworfen wird, dass er Änderungen am Quran vorgenommen haben könnte. Wie entwickelte sich der Quran nach der anfänglichen Kompilierung durch Abu Bakr (radiyallahu anh)?

Der Ursprung der Lesearten (Qiraat) ist die Offenbarung Allahs

Abdullah Ibn Abbas (radiyallahu anh) berichtete, dass der Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) sagte:

﴿ أقرأَني جبريلُ القرآنَ على حرْفٍ ، فراجعته ، فلم أزلْ اسْتَزِيدُه ، فيزيدُني ، حتى انتهى إلى سبعةِ أحْرُفٍ ﴾

"Jibril rezitierte mir (zunächst) eine (Lese)Art (Harf), und ich bat ihn um mehr, bis er mir weitere beibrachte. So bat ich ihn um mehr, und er fuhr fort, mir mehr zu übermitteln, bis er schließlich mit sieben Arten (Ahruf) endete." [Quelle: Verzeichnet in Al-Bukhari Nr. 4199 und Muslim Nr. 819, als sahih klassifiziert von Al-Albani in Sahih al-Jami' Nr. 1162.]

'Umar ibn al-Khattaab (radiyallahu anh) sagte:

Ich hörte Hisham bin Hakim bin Hizam die Surah Al-Furqan rezitieren, und er rezitierte es mit einem Wortlaut, die mir der Gesandte Allahs (sallallahu alayhi wa sallam) nicht beigebracht hatte. Ich fragte: "Wer hat dir diese Surah beigebracht?" Er antwortete: "Der Gesandte Allahs (sallallahu alayhi wa sallam)" Ich sagte: "Du lügst, der Gesandte Allahs hat sie dir nicht so beigebracht!" Also packte ich seine Hand und führte ihn zum Gesandten Allahs. Ich sagte: "Oh Gesandter Allahs, du hast mir die Surah Al-Furqan beigebracht, und ich hörte diesen Mann sie in einer Weise rezitieren, die du mir nicht beigebracht hast!" Der Gesandte Allahs sagte: "Rezitiere es, oh Hisham." Er rezitierte, wie er es zuvor getan hatte, und der Gesandte Allahs sagte: "So wurde es offenbart." Dann sagte er: "Rezitiere, oh Umar." Ich rezitierte, und er sagte: "So wurde es offenbart." Dann sagte der Gesandte Allahs: "Wahrlich, der Quran wurde auf sieben Ahruf (Arten) herabgesandt."

[Quelle: Verzeichnet in Al-Bukhari Nr. 2419, Muslim Nr. 818, Abu Dawud Nr. 1475, At-Tirmidhi Nr. 2943, An-Nasa'i Nr. 936 und Ahmad Nr. 158, als sahih klassifiziert von Al-Albani (عربي)]

Gehören die sieben Qiraat (Lesarten) zu den sieben Ahruf?

Schaykhul Islam Ibn Taymiyyah sagte:

Die Mehrheit der Gelehrten, einschließlich der Salaf und den Imame, sind sich einig, dass sie zu den sieben Ahruf gehören; sie sagen vielmehr, dass der Mushaf von Uthman einer der sieben Ahruf ist und dass er die letzte Darbietung umfasst, die der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) von Jibril vorgeführt bekommen hat. Die Hadithe und die bekannten, weit verbreiteten Überlieferungen deuten auf diese Aussage hin. [Quelle: Majmu' al-Fatawa, Band 13, Seite 395]

Gibt es aufgrund der verschiedenen Lesarten mehrere Versionen des Quran?

Frage:

Sie sagen, dass die Vielfalt der Lesarten im Quran bedeutet, dass es Unterschiede im Quran gibt, was zu anderen Bedeutungen führt, wie zum Beispiel in der Surah Al-Isra:

﴿‏ وَنُخْرِجُ لَهُ يَوْمَ الْقِيَامَةِ كِتَابًا يَلْقَاهُ مَنْشُورًا ‎﴾

"Und am Tag der Auferstehung bringen Wir ihm ein Buch heraus, das er aufgeschlagen vorfinden wird" [Al-Isra:13], speziell bei "das er aufgeschlagen vorfinden wird".

Antwort:

Es wurde vom Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) überliefert, dass der Quran von Allah in sieben Ahruf, d.h. Sprachen oder Dialekten der Araber, offenbart wurde; als Erleichterung für ihre Rezitation und als Barmherzigkeit Allahs für sie. Dies wurde durch zahlreiche Überlieferungen bestätigt und die Realität des Qurans und die darin gefundenen Lesarten bestätigen dies. Sie sind alle eine Offenbarung von einem weisen und lobenswerten Allah.

Ihre Vielfalt ist weder eine Verfälschung noch eine Änderung, und es gibt keine Unklarheiten in ihren Bedeutungen oder Widersprüche in ihren Absichten oder Verwirrung. Vielmehr bestätigt der eine Teil den anderen und erklärt seinen Zweck. Die Bedeutungen einiger Lesarten können variieren, wobei jede von ihnen eine Regel liefert, die einem Zweck des Gesetzes und einem Nutzen für die Diener entspricht, mit konsistenten Bedeutungen und Vereinigung ihrer Grundlagen und ihrer Organisation in einer vollständigen, präzisen gesetzlichen Einheit, ohne Widersprüche oder Konflikte.

Dazu gehört, was von den Lesarten in der vom Fragenden erwähnten Verse überliefert wurde, nämlich Allahs Aussage:

﴿‏ وَكُلَّ إِنْسَانٍ أَلْزَمْنَاهُ طَائِرَهُ فِي عُنُقِهِ ۖ وَنُخْرِجُ لَهُ يَوْمَ الْقِيَامَةِ كِتَابًا يَلْقَاهُ مَنْشُورًا ‎﴾

"Jedem Menschen haben Wir sein Vorzeichen an seinem Hals befestigt. Und am Tag der Auferstehung bringen Wir ihm ein Buch heraus, das er aufgeschlagen vorfinden wird" [Al-Isra: 13].

  • Es wurde gelesen: "وَنُخْرِجُ" mit Damma auf dem ن und Kasra auf dem ر, und "يَلْقَاهُ" mit Fatha auf dem ي und einem einfachen ق, und die Bedeutung ist: "Wir werden dem Menschen am Tag der Auferstehung ein Buch herausbringen - das ist das Buch seiner Taten - das ihm offen präsentiert wird, so dass er es mit seiner Rechten nimmt, wenn er glücklich ist, oder mit seiner Linken, wenn er unglücklich ist."
  • Es wurde auch gelesen: "يُلَقَّاهُ مَنْشُورًا" mit Damma auf dem ي und einem verdoppelten ق, und die Bedeutung ist: "Wir werden dem Menschen am Tag der Auferstehung ein Buch herausbringen - das ist das Buch seiner Taten - das dem Menschen offen übergeben wird."

So stimmt die Bedeutung beider Lesarten am Ende mit der anderen überein, denn wer das Buch erhält, hat es erhalten, und wer das Buch erhalten hat, dem wurde es übergeben.

Ein (weiteres) Beispiel dafür ist Allahs Aussage:

﴿‏ فِي قُلُوبِهِم مَّرَضٌ فَزَادَهُمُ اللَّهُ مَرَضًا ۖ وَلَهُمْ عَذَابٌ أَلِيمٌ بِمَا كَانُوا يَكْذِبُونَ ‎﴾

"In ihren Herzen ist Krankheit, und da hat Allah ihnen die Krankheit noch gemehrt. Für sie wird es schmerzhafte Strafe dafür geben, dass sie zu lügen pflegten." [Al-Baqara:10].

  • Es wurde gelesen "يَكْذِبُونَ" mit Fatha auf dem ي, Sukun auf dem ك und Kasra auf dem ذ, was bedeutet: Sie verbreiten Lügen über Allah und die Gläubigen.
  • Es wurde auch gelesen "يُكَذِّبُونَ" mit Damma auf dem ي, Fatha auf dem ك und einem verdoppelten ذ, was bedeutet: Sie leugnen die Gesandten und das, was sie von Allah als Offenbarung brachten.

Die Bedeutung beider Lesarten widerspricht sich nicht, sondern jede beschreibt eine Eigenschaft der Heuchler: die erste beschreibt ihre Lügen über Allah, seine Gesandten und die Menschen, die zweite ihre Leugnung der göttlichen Offenbarung. Daraus wird deutlich, dass die Vielfalt der Lesarten göttlich inspiriert ist, nicht durch Verfälschung oder Änderung, und dass daraus keine widersprüchlichen oder verwirrenden Dinge entstehen, sondern ihre Bedeutungen und Absichten übereinstimmen.

Scheich Abdulaziz Ibn Baz, rahimahullah

Quelle: Sammlung an Fataawa und Artikeln von Scheich Ibn Baz (5/397) (عربي).


Anmerkung: Gemäß der Erläuterung von Scheich Ibn Baz lässt sich klarstellen, dass die Einführung der Vokalisierungszeichen (Taschkil oder Harakaat genannt) durch den Khalifen Uthman ibn Affan (radiyallahu anh) keine Veränderung des Qurans darstellt:

يكذبون - Der Quran in seiner ursprünglichen Form ohne Vokalisierungszeichen, wie es vor Uthmans Zeit war. Alle Lesearten lassen sich daraus darstellen.

يَكْذِبُونَ - Dieselben Grundbuchstaben mit Vokalisierungszeichen, die eine Lesart darstellt.

يُكَذِّبُونَ - Und nochmal mit anderen Vokalisierungszeichen für die Darstellung einer weiteren Lesart.

Die grundlegenden Buchstaben bleiben unverändert, und somit bleibt auch der ursprüngliche Quran unverändert; die Vokalisierungszeichen dienen lediglich als Hilfe zur korrekten Aussprache. Entfernt man sie, erhält man den Quran, wie er vor Uthmans Einführung der Vokalisierungszeichen im Umlauf war.


Wurde der Quran durch Uthman ibn Affan verfälscht?

Frage:

Während der Amtszeit des Amir al-Mu'minin, Uthman ibn Affan, wurden alle Quranexemplare aus allen Ländern gesammelt und verbrannt, bis auf seine eigene Version. Da die Tora und das Evangelium verfälscht wurden, wer garantiert uns, dass dieser verbliebene Quran - der Quran Uthmans - nicht verfälscht wurde?

Antwort:

Allah, der Erhabene, spricht:

﴿‏ إِنَّا نَحْنُ نَزَّلْنَا الذِّكْرَ وَإِنَّا لَهُ لَحَافِظُونَ ‎﴾

"Gewiß, Wir sind es, die Wir die Ermahnung offenbart haben, und Wir werden wahrlich ihr Hüter sein." [Al-Hijr:9].

Allah, der Erhabene, hat verkündet, dass Er es bewahren wird, und Er ist der wahrhaftigste Sprecher. Uthman bewahrte mehrere Exemplare des Qurans, nicht nur eines. Er ließ mehrere Mushaf (kopien) erstellen. Die Vier [1] studierten den Mushaf, sammelten es und schrieben es nieder. Dann sandte er mehrere Exemplare nach Schaam, Ägypten, Jemen, Hijaz und den Irak und behielt einige in Medina. Dann verbrannte er die übrigen, um Verwirrung und Fehler zu vermeiden.

Die Muslime stimmten einstimmig zu, dass seine Tat gut war und dankten ihm dafür. Die Sahabah, die während seiner Herrschaft anwesend waren, stimmten seinem guten Werk einstimmig zu, außer was über Ibn Masud berichtet wurde, dass er sein eigenes Mushaf behielt.

Zweifellos hat Uthman in dieser Angelegenheit gut gehandelt, und die Muslime dankten ihm für seine Arbeit. Seine Exemplare des Quran sind (bis heute) erhalten und bewahrt. Die Muslime haben einstimmig beschlossen, sie zu bewahren, und dass sich darin (vom Quran) nichts verändert hat, ohne Mängel oder Zusätze. So haben die Muslime von der Zeit der Gefährten bis heute übereingestimmt, was der Aussage Allahs entspricht: "Gewiß, Wir sind es, die Wir die Ermahnung offenbart haben, und Wir werden wahrlich ihr Hüter sein."

Die Muslime haben es seit der Zeit der Sahabah bis heute auswendig gelernt, Generation um Generation, Gruppe um Gruppe, Jahrhundert um Jahrhundert, Millionen von Muslimen. Es gibt daher, keinen Zweifel oder Verdacht (an der Authenzität des Quran) - und Allah gebührt der Dank - denn es kam zu uns vollständig bewahrt, ohne dass ein Buchstabe fehlte oder hinzugefügt wurde, so wie Uthman es niederlegte und es Allah gefiel, und so wie es der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) in der letzten Überprüfung im Ramadan im zehnten Jahr zu Jibrail rezitierte.

Scheich Abdulaziz Ibn Baz, rahimahullah

Quelle: Audioaufnahme (عربي)


[1] Anmerkung: Gemeint sind die "اللجنة الرباعية" (Vier-Mann-Kommission) ist eine Gruppe, die vom Khalifen Uthman ibn Affan (radiyallahu anh) beauftragt wurde, um eine standardisierte Version des Quran zu erstellen. Diese Kommission bestand aus vier prominenten Gefährten des Propheten (sallallahu alayhi wa sallam). Von Anas bin Malik wurde berichtet, dass er sagte: "Uthman rief (folgende) zu sich: (1) Zaid ibn Thabit, (2) Said ibn al-As, (3) Abdullah ibn Zubair, (4) Abdur Rahman ibn Harith, und sie fertigten mehrere Kopien des Mus'hafs (Quran in Buchform) an." [Sahih al-Bukhari, Nr. 4984]
Zaid ibn Thabit war der Hauptverantwortliche der Gruppe. Er war bereits unter dem ersten Kalifen Abu Bakr (radiyallahu anh) beteiligt, eine Sammlung der Quran-Verse in Buchform [Mus'haf] zu erstellen.

Qadi Abu Yaʿla ibn al-Farraʾ sagte:

"Der Quran wurde weder geändert noch abgewandelt, noch wurde etwas daraus entfernt oder hinzugefügt, entgegen den Behauptungen der Rafida (eine Gruppe der Schiiten), die sagen, dass der Quran verändert und seine Anordnung und seine Reihenfolge verändert wurden."

Und er sagte: "Der Quran wurde in Anwesenheit der Sahaba (radiyallahu anhum) gesammelt, und sie stimmten darüber einstimmig überein, und niemand leugnete dies, noch wies jemand von den Sahabah es zurück oder kritisierte es. Wenn er verändert oder abgewandelt worden wäre, hätte es von einem der Sahabah überliefert werden müssen, dass er es kritisiert hat, denn so etwas darf nicht im Gewöhnlichen verborgen bleiben... Und wenn er verändert und abgewandelt worden wäre, hätte es Ali (radiyallahu anh) obliegen, dies (spätestens in seiner Herrschaftszeit) zu klären und zu korrigieren und den Menschen allgemein zu verkünden, dass er das korrigiert hat, was verändert wurde. Da er dies nicht tat, sondern ihn rezitierte und verwendete, deutet dies darauf hin, dass er nicht verändert oder abgewandelt wurde."

Quelle: Al-Mu'tamid fi Usul al-Din, S. 258 (عربي)

Urteil über jemandem, der behauptet, dass der Quran verfälscht wurde

Qadi Iyad sagte:

Die Muslime sind einstimmig der Meinung, dass der in der ganzen Erdkugel rezitierte Quran, der in den Mushafs von den Händen der Muslime geschrieben ist, von 'Al-Hamdulillah Rabb Al-'Alamin' bis zum Ende von 'Qul A'udhu bi-Rabb An-Nas', das Wort Allahs ist, Seine herabgesandte Offenbarung an Seinen Propheten Muhammad (sallallahu alayhi wa sallam) und dass alles darin die Wahrheit ist. Und wer absichtlich einen Buchstaben daraus entfernt, ihn durch einen anderen ersetzt, oder etwas hinzufügt, was nicht in dem Mushaf enthalten ist, über das Einigkeit besteht, und überzeugt ist, dass dies nicht Teil des Quran ist, gilt als Kafir (Ungläubiger).

Quelle: "Asch-Schifa fi Bayan Huquq al-Mustafa, salla Allahu alayhi wa sallam" 2/304 (عربي)

Übersetzung: Abu Davut Konyevi, Kontrolliert: Rasūl Gençer