Der Hadii des Propheten bzgl. ansteckender Krankheiten und der Durchführung einer Quarantäne
In Sahih Muslim wird überliefert, wie Jaabir bin ‘Abdillah berichtete, dass in der Delegation Thaqiifs ein Mann mit Lepra war. Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sandte ihm (folgendes): „Geh zurück, denn wir haben deinen Bay’ah (Treueschwur) akzeptiert.“ (Muslim 5783; Ibn Majah 4193; u.a.)
Al-Bukhari (5707) überliefert in seinem Sahih einen Hadith von Abu Hurayrah, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Flieh vor dem Leprakranken, sowie du vor einem Löwen fliehst.“
In den Sunan von Ibn Majah (4543) findet ein Hadith von Ibn Abbas Erwähnung, dass der der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Verweilt nicht mit eurem Blick auf einem Leprakranken.“
Ferner wird in den Sahihayn von Abu Hurayrah überliefert, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Führt keinen Kranken zu einem Gesunden.“ (Al-Bukhari 5770; Muslim 5752)
Und von ihm (sallallahu alayhi wa sallam) wurde erwähnt, dass er sagte: „Lasse zwischen dir und einem Leprakranken einen Abstand von ein oder zwei Speerlängen.“ (Al-Imam Ahmad 1/78; u.a.)
Lepra {جذام} ist eine besonders schwerwiegende Krankheit, die aufgrund einer Ansammlung von schwarzer Galle im ganzen Körper entsteht, und die die Verfassung oder das Naturell und die Form der Glieder verändert. Im Endstadium kann Lepra zu solch übler Zersetzung führen, dass die betroffenen Gliedmaßen schließlich abfallen und sich auflösen. […] Lepra ist eine ansteckende Krankheit und jene, die sich einer leprainfizierten Person nähern, werden den fauligen Atem wahrnehmen, ähnlich dem Atem jener, die an Tuberkulose leiden.
Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam), der ja voller Barmherzigkeit und Mitleid für seine Ummah war, wies sie an, sich nicht dem auszusetzen, was ihren Körpern und Herzen schaden könnte. Es besteht kein Zweifel, dass manche Körper krankheitsanfällig sind und sich leicht durch ihre Umgebung beeinflussen lassen; und wie wir bereits erwähnten ist Lepra eine ansteckende Krankheit.
Manchmal öffnet die Angst vor einer bestimmten Krankheit der Krankheit erst Tür und Tor, da Angst die Organe des Körpers auf eine mögliche bevorstehende Krankheit Erkrankung vorbereitet. Manchmal reicht es sogar aus, nur den fauligen Geruch einer, mit einer bestimmten Krankheit infizierten Person zu riechen, um selbst die gleiche Krankheit zu bekommen - sofern der eigene Körper grundsätzlich für Krankheiten empfänglich ist.
Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) heiratete einst eine Frau. Als er jedoch bei ihr eintreten (oder auch: eingehen) wollte, sah er an ihrer Taille weiße Hautflecken, so sagte er: „Geh zu deiner Familie.“ (Al-Imam Ahmad 3/493)
Manche Leute meinten, dass die von uns in diesem Kapitel erwähnten Ahadith durch andere Ahadith verworfen würden, wie z.B. durch den Hadith bei At-Tirmidhi, wo Abu ‘Abdullah bin ‘Amr berichtete dass der Gesandte Allahs (sallallahu alayhi wa sallam) einen Leprakranken an der Hand nahm, diese Hand in eine Schüssel führte, um dann gemeinsam mit ihm aus der Schüssel zu essen, und sagte: „Iss im Namen Allahs, verlasse dich auf Allah und vertraue auf Ihn.“ (Abu Dawud 3925; At-Tirmidhi 1824; u.a.). Und sie brachten als Beweis den Hadith, den Ibn Majah von Jabir ibn Abdillah überlieferte, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Es gibt weder Ansteckung, noch schlechtes Omen.“ (Al-Bukhari 5717; Muslim 5749)
Wir sagen jedoch, dass es zwischen authentischen Ahadith nie einen Widerspruch gibt. Wenn es einen scheinbaren Widerspruch gibt, so ist einer beiden Ahadith nicht authentisch – manchmal haben Überlieferer (versehentlich) Fehler gemacht, obwohl sie selbst vertrauenswürdig sind. Oder es kann sein, dass einer der widersprechenden Ahadith den anderen nur scheinbar verwirft. Jedoch gibt es keine zwei authentischen Ahadith, die unmissverständlich in ihrer Bedeutung sind und sich in jeder Hinsicht widersprechen. Allah verbat es, dass Sein wahrheitsliebender Gesandter sich jemals widersprechen könnte. Und aus diesem Grund ist alles, was der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) von sich gab zweifellos die absolute Wahrheit.
Probleme und Fehler treten manchmal infolge Überlieferer eines Hadith auf, wegen einem Verständnisdefizit der wirklichen Bedeutung der Ahadith aufgrund der Unfähigkeit zu unterscheiden, ob es sich um einen authentischen oder falschen Hadith handelt.
Ibn Qutaybah sagte in seinem Buch ‚Iktilaaf Al-Hadiith‘ über die Feinde des Hadith und die Feinde der Ahlul-Hadith: „Sie sagen: ‚Diese sind Ahadith, die sich widersprechen. Du hast berichtet, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Es gibt weder Ansteckung, noch schlechtes Omen.“ Und dass zum Propheten gesagt wurde: „Feuchte Krätze greift die Schnauze des Kamels an, und sodann bekommt das Kamel Lepra.“ Und dass er (sallallahu alayhi wa sallam) fragte: „Was hat dem ersten Kamel die Krankheit übertragen?“ Auch überliefert ihr: „Kein Gesunder soll in die Nähe eines Kranken gebracht werden“, und: „Meide die Lepra, wie du den Löwen meidest.“ Auch berichtet ihr, dass ein Leprakranker zum Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) wollte, um seinen Bay’ah (Treueeid) abzulegen und dass er (sallallahu alayhi wa sallam) ihm sagte, dass sein Gelöbnis angenommen sei und er den Leprakranken dann anwies umzukehren, ohne ihn (persönlich) zu treffen. Auch sagte er: „Schlechtes Omen gibt es in dreierlei: der Frau, dem Tier (Pferd) und dem Haus.“[1] – All diese Aussagen widersprechen sich!‘
Abu Muhammad (d.h. Ibn Qutaybah) merkte daraufhin an: ‚Wir sagen, dass es diesbezüglich keinen Widerspruch gibt, da jede Aussage ihre eigene Bedeutung und ihren eigenen Zeitrahmen hat. Wenn der Hadith ordentlich in seinem Kontext zitiert wird, so wird sich kein Widerspruch zeigen:
Es gibt zwei Arten der Ansteckung
Eine davon ist die lepraähnliche. Riechen z.B. jene, die längere Zeit mit einem Leprakranken reden und sitzen seinen Geruch, so werden sie möglichweise Opfer der gleichen Krankheit. So trägt es sich auch zu, wenn eine Frau mit ihrem leprakranken Mann unter einem Dach lebt und sich folglich ebenfalls infiziert. Auch können die Kinder einer leprakranken Person in ihrem späteren Leben gleichermaßen Lepra bekommen. Ähnlich ist es in Fällen von Leuten, die an Tuberkulose, hektischem Fieber und Krätze leiden. Ärzte empfehlen, dass Tuberkulose- und Leprakranke gemieden werden sollen, nicht weil sie fürchten, dass sie ansteckend sein könnten, sondern weil der von ihnen ausgehende üble Geruch gesunde Menschen, die ihm längere Zeit ausgesetzt sind (negativ) beeinflussen könnte. Ärzte sind am weitesten davon entfernt an schlechte oder gute Omen zu glauben. Das gleiche Argument trifft im Fall der Nuqbah zu, welche eine feuchte Hautkrankheit ist, die Kamele befällt. Wenn das infizierte Kamel sich unter gesunde Kamele mischt, so wird die Infektion durch Wasser, das aus ihm austritt (d.h. offene Wunden) oder vom Kamel abgesonderten Schleim übertragen. Und das ist die Wortbedeutung, die der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) beabsichtigte, als er sagte: „Kein Kranker soll zu einem Gesunden gebracht werden.“ Er mochte nicht, dass Kranke sich mit Gesunden mischen, damit nicht die Gesunden irgendwelchen Substanzen oder Ausschlägen, die von Kranken ausgehen, ausgesetzt sind.
Der zweite Ansteckungstyp ist die Pest, die z.B. in einem Land auftritt und den ergreift, der versucht aus dem verseuchten Gebiet zu fliehen. Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sagte: „Wenn sie (die Pest) in einem Land ausbricht, in dem ihr seid, so verlasst es nicht. (Und wenn ihr hört), dass sie in einem Land ausgebrochen ist, so betretet es nicht.“ Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) befahl, dass die Menschen im Seuchengebiet selbiges nicht verlassen sollen, da sie (fälschlicherweise) denken könnten, dass sie durch die Flucht Allahs Vorherbestimmung entkommen könnten. Auch wies der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) die Menschen an, keine pestverseuchten Gebiete zu betreten, da das Verbleiben in den ‚gesunden‘ Ländern Ruhe und Gelassenheit in ihre Herzen und ihr Dasein bringt. Diese Ansteckungsart umfasst auch den Ehemann, der an einer Krankheit leidet und sie, wie weit verbreitet angenommen, dem schlechten Omen seiner Frau oder dem Haus zuschreibt, indem er sagt, von ihr ginge das Übel aus. Dies ist die Seuche, die der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) meinte, als er sagte: „Weder gibt es Ansteckung […].“ (Al-Bukhari 5707; Muslim 5749)
Eine andere Gruppe sagt, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) lediglich empfahl Leprakranke zu meiden, aber dass es dennoch erlaubt sei mit ihnen zu essen, so wie es der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) selbst auch tat. Wieder andere Leute sagten, dass diese Ahadith spezifische Anweisungen für verschiedene Arten von Menschen waren. Z.B. haben manche Menschen einen so starken Imaan (Glauben) an Allah und Tawakkul (Vertrauen) auf Ihn, dass sie die Kraft ihres Glaubens (mit Allahs Erlaubnis) vor ansteckenden Krankheiten bewahrt; genauso wie natürliche Kräfte innerhalb des Körpers manchmal auch erfolgreich den Schaden einer Krankheit abwehren. Auf der anderen Seite haben manche Menschen keinen so starken Imaan, weshalb der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) sie zur Vorsicht (vor Ansteckung) ermahnte.
Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) wandte seine Anweisungen in beiden Fällen an, so dass die Starken, abhängig von ihrem (individuellen) Vertrauen auf Allah, seinen Handlungen folgen können, und andererseits die Schwachen seiner Anweisung folgen können, vorsichtig zu sein (indem sie Leprakranke meiden). Beide Wege sind korrekt: einer ist für jene mit starkem Glauben geeignet, während der andere für solche mit schwachem Glauben passend ist. Folglich bekommen beide Gruppen von Gläubigen ihre eigenen Methoden, die ihren (individuellen) Gegebenheiten entsprechen.
Als weiteres Beispiel dient Al-Kayy (medizinisches Abbrennen), das der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) zwar anwandte, aber dennoch jeden lobte, der sich des Abbrennens enthielt; er erwähnte das Vermeiden von selbigem zusammen mit Tawakkul (Vertrauen auf Allah) und dem Ablassen vom schlechten Omen. Bezüglich dieses Themas existieren zahlreiche weitere Beispiele. Der Weg des Propheten (sallallahu alayhi wa sallam) ist immer sehr behutsam und jene, die auf aufrichtige Art und Weise begreifen, werden ihre Verdächtigungen, die Sunnah würde sich widersprechen, los.
Andere sind der Meinung, dass die Anweisung an die Menschen, sich von Leprakranken zu entfernen, ein Schutz vor Übertragung der Krankheit durch Vermischung mit dem Kranken oder Riechen des Geruchs bei solchem Verkehren und Vermischen ist.
Was kleine Krankenbesuche für einen guten Zweck anbelangt, so liegt kein Schaden in ihnen und eine Ansteckung ist während dieses kurzen Kontakts nicht zu erwarten. Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) verbot es, zur Schonung der Gesundheit der Kranken, selbige lange zu beanspruchen, doch er erlaubte kurze Kontakte, die keinen Schaden verursachen. Wo also gibt es hier einen Widerspruch?
Eine andere Gruppe sagt, dass es wahrscheinlich ist, dass jene leprakranke Person, mit der der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) saß und aß, nur eine leichte Form der Lepra hatte. Es gibt verschiedene Lepraarten, die jeweils unterschiedlich stark und unterschiedlich ansteckend ausfallen. In solchen Fällen ist es also möglich, eine Ansteckung zu umgehen und dennoch unter Menschen zu gehen, die lediglich eine leichte, nicht fortgeschrittene Form der Lepra haben. Falls die Erkrankung im Körper des Kranken nicht fähig ist fortzuschreiten, so wird sie noch unfähiger sein den Körper einer anderen Person zu befallen.
Wieder andere sagen, dass die Menschen in der Jahiliyyah (vorislamischen Zeit der Unwissenheit) der Ansicht waren, dass Krankheiten an sich grundsätzlich ansteckend seien, ohne diese Angelegenheit Allahs Macht und Willen am Anfang und Ende zuzuschreiben. Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) wies ihren Irrglauben zurück und aß mit einer leprakranken Person, um zu zeigen, dass Allah der Einzige ist, der (anfangs) die Krankheit und (am Ende) die Heilung bringt.
Der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) verbot den Muslimen, sich mit den Kranken zu mischen, um sie zu lehren, dass Leiden und Krankheit Dinge sind, die Allah erschaffen hat, damit sie eine gewisse Wirkung auf die Menschen haben. Das Verbot bekräftigt diese Auswirkungen, während seine Taten uns lehren, dass besagte Auswirkungen völlig unter Allahs Kontrolle stehen, und dass, wenn Er will, diese Auswirkungen absolut wirkungs- bzw. machtlos bleiben. Aber sie können, wenn Er will, ebenso den von Ihm beschlossenen und gewollten Schaden anrichten.
Abschließend sagten wieder andere Leute, dass diese Ahadith eventuell Naasikh und Mansuukh beinhalten, d.h. dass ein Hadith den anderen abrogiert. Wenn man analysiert, darf man auch nicht den zeitlichen Kontext außer Acht lassen, da wenn es sich um einen späteren Hadith handelt, dieser den alten ersetzt. Können wir dies nicht, so sollten wir uns besser davon enthalten, diese Sache weiter zu diskutieren.
Andere Leute haben gesagt, dass manche dieser Ahadith gesichert sind, und andere wiederum nicht. Es wurde einiges über (die Authenzität) des Hadith „Weder gibt es Ansteckung, …“ gesagt. Sie sagen, dass Abu Hurayrah ihn als erster überlieferte, dann aber zweifelte und sich letzten Endes sogar davon distanzierte. Als man ihn erneut diesbezüglich aufsuchte und ihm sagte: „Wir hörten dich diesen Hadith überliefern!“, lehnte er es ab davon zu berichten. Abu Salamah sagte: „Ich weiß nicht, ob Abu Hurayrah ihn vergaß oder der eine Hadith den anderen abrogierte.“
Was den Hadith von Jabir anbelangt, dass der Prophet (sallallahu alayhi wa sallam) angeblich die Hand des Leprakranken nahm und sie mit seiner eigenen in die Schüssel führte, so ist dieser Hadith weder bewiesen noch authentisch. At-Tirmidhi sagte dazu, dass dieser Hadith ghariib (fremd; d.h. nur ein Überlieferer ist davon bekannt) sei, weshalb er ihn weder als sahih und hasan klassifizierte. Schu’bah und andere (Hadith-gelehrte) sagten, man solle Allah bezüglich ghariib-Ahadith fürchten. Jedoch wird berichtet, dass diese Tat (die Hand des Leprakranken zu nehmen und in die Schüssel zu führen) von ‘Umar war, was eher bewiesen ist. Doch Allah weiß es am besten!
Diese ganze Angelegenheit haben wir ausführlicher im Buch ‚Al-Miftaah‘ behandelt. Und bei Allah ist der Erfolg.
Imam Ibnul Qayyim Al-Jauziyyah, rahimahullah
Die prophetische Medizin, Kapitel: „Der Hadii des Propheten bzgl. ansteckender Krankheiten und der Durchführung einer Quarantäne“ (deutsche Ausgabe, S. 134-139)
[1] Anmerkung: Siehe hierzu: Haus/Frau/Reittier als unglückbringend betrachten