Moderator:

Alles Lob gebührt Allāh, dem Herrn der Welten. Alles Lob gebührt Allāh:

﴿مَا يَفْتَحِ ٱللَّهُ لِلنَّاسِ مِن رَّحْمَةٍ فَلَا مُمۡسِكَ لَهَاۖ وَمَا يُمۡسِكۡ فَلَا مُرۡسِلَ لَهُۥ مِنۢ بَعۡدِهِۦۚ وَهُوَ ٱلۡعَزِيزُ ٱلۡحَكِيمُ﴾


„Was Allah den Menschen an Barmherzigkeit auftut, das kann keiner zurückhalten. Und was Er zurückhält, das kann keiner nach Ihm freigeben. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.“ (Sūrah Fāṭir 35:2)

Er hat uns eine aufrichtige Religion vorgeschrieben und uns auf einen geraden Weg geleitet. Und der vollkommene und umfassende Segen und Heil sei auf denjenigen, dem Allāh die Brust weit gemacht hat, seine Last von ihm genommen hat und Seinen Namen erhoben hat – Muḥammad, der Sohn von ʿAbdillāh – sowie auf seine Familie und all seine Gefährten.

So folgt:

Der Friede sei mit euch, sowie die Barmherzigkeit Allāhs und Seine Segnungen, ehrenwerte Zuhörer und ehrenwerte Zuhörerinnen.

Willkommen zu einer neuen Folge eures Programms: „Die Hadsch – (ihr) Benehmen und Verhalten“.

Zu Beginn dieser Sendung freuen wir uns, unseren Gast willkommen zu heißen: Seine Eminenz, der Großgelehrte Scheich Aḥmad ibn Yaḥyā an-Nadschmī – ehemaliger Dozent für islamische Wissenschaften am Al-Ma'had Al-'Ilmī Institut in Ṣāmitah. Möge Allāh Sie willkommen heißen und segnen, geehrter Scheich, und Sie sowie Ihr Wissen segensreich machen und damit dem Islām und den Muslimen Nutzen bringen.

Scheich Aḥmad an-Nadschmī:

Möge Allāh euch willkommen heißen und segnen. Ich grüße auch alle Zuhörer und Zuhörerinnen. Möge Allāh, der Mächtige und Erhabene, uns mit dem, was wir sagen und hören, nützen lassen.

Frage:

Geehrter Scheich, möge Allāh Ihnen Erfolg gewähren. In der ersten Folge haben wir über die Definition der Hadsch gesprochen, über ihre Vorzüge und darüber, wann sie dem Propheten zur Pflicht gemacht wurde. In dieser Folge beginnen wir mit einer Frage: Wann wird die Hadsch für den muslimischen Mann und Frau verpflichtend? Möge Allāh Sie segnen.

Scheich Aḥmad an-Nadschmī: 

Alles Lob gebührt Allāh und möge der Segen und Heil auf dem Gesandten Allāhs , auf seiner Familie und all seinen Gefährten seien.

Die Hadsch ist dem muslimischen Mann und der muslimischen Frau nur unter bestimmten Bedingungen verpflichtend.

Die erste davon ist: der Islām. Die Hadsch ist nur von einem muslimischen Mann oder einer muslimischen Frau gültig. Wer den Islām nicht akzeptiert hat, von dem wird keine gottesdienstliche Handlung angenommen, und ihm wird keine Sünde vergeben. Allāh – der Erhabene – sagte:

 

﴿وَمَن يَبْتَغِ غَيْرَ ٱلْإِسْلَـٰمِ دِينًا فَلَن يُقْبَلَ مِنْهُ وَهُوَ فِى ٱلْـَٔاخِرَةِ مِنَ ٱلْخَـٰسِرِينَ﴾

„Wer aber als Religion etwas anderes als den Islam begehrt, so wird es von ihm nicht angenommen werden, und im Jenseits wird er zu den Verlierern gehören.“ (Sūrah Āl-'Imrān 3:85)

Jeder, der sich dem Islām nicht unterwirft und ihn nicht als Religion angenommen hat – von dem wird keine gute Tat angenommen, und ihm wird keine Sünde vergeben.

Die zweite Bedingung: Geistige Zurechnungsfähigkeit (Verstand). Die Hadsch ist nur für jemanden verpflichtend, der über einen gesunden Verstand verfügt, mit dem er zwischen Pflichten und anderen Dingen unterscheiden kann. Ein Geisteskranker – wie bekannt – kann keine rechtsgültige Handlung vollziehen. Denn der Prophet sagte:

«رُفِعَ القلمُ عن ثلاثة: عن المجنون حتى يُفيق، وعن النائم حتى يستيقظ، وعن الصغير حتى يبلغ»

„Der Schreibstift ist für drei (Personen) aufgehoben: Für den Geisteskranken, bis er wieder bei Verstand ist, für den Schlafenden, bis er aufwacht, und für das Kind, bis es die Reife (Pubertät) erreicht.“

Die dritte Bedingung: Taklīf (rechtliche Verantwortlichkeit). Und ein Mensch ist nur dann verantwortlich, wenn eines von drei Merkmalen erfüllt ist:

  • Erstens das Erreichen des 15. Lebensjahres;
  • zweitens das Wachsen von Schamhaaren;
  • drittens der Samenerguss infolge eines Traumes – dies gilt als Zeichen der Reife, bei Männern wie Frauen.
  • Für Frauen gibt es zusätzlich zwei Merkmale: Erstens das Eintreffen der Menstruation; zweitens eine Schwangerschaft – das ist ein Zeichen dafür, dass sie die Reife erreicht hat.

Die vierte Bedingung, dass die Hadsch für den muslimischen Mann und die muslimische Frau verpflichtend wird: volle Freiheit. Wer versklavt ist – ganz oder teilweise – für den ist die Hadsch nicht verpflichtend. Er ist zwar gültig, wenn er ihn vollzieht, aber sobald er frei (bzw. freigelassen) wird, muss er die Hadsch erneut verrichten, weil er mit der Befreiung in die rechtliche Verantwortung eintritt. Ebenso das Kind: Wenn es als Kind die Hadsch vollzieht, reicht das nicht für die verpflichtende Hadsch. Wenn es dann reif wird, muss es den Hadsch erneut vollziehen.

Die fünfte Bedingung: die Fähigkeit (Istiṭāʿah). Der Beweis aus dem Qurʾān dafür ist die Aussage Allāhs:

﴿وَلِلَّهِ عَلَى ٱلنَّاسِ حِجُّ ٱلْبَيْتِ مَنِ ٱسْتَطَاعَ إِلَيْهِ سَبِيلًۭا﴾

„Und den Menschen ist es Allah gegenüber auferlegt, zum Haus zu pilgern – wer dazu in der Lage ist.“ (Sūrah Āl-'Imrān 3:97)

Es gibt einen Ḥadīth, der dem Propheten zugeschrieben wird – dessen Authentizität aber umstritten ist –, darin heißt es, dass zum Ihm gesagt wurde:

«ما الاستطاعة يا رسول الله؟ قال: «وجود الزاد والراحلة»

„Was bedeutet die Fähigkeit (zur Hadsch), o Gesandter Allāhs?“ Er sagte: „Das Vorhandensein von Reiseproviant und Reittier.

Doch wie gesagt, seine Authentizität ist umstritten. Dennoch ist diese Bedeutung unter den Fuqaha anerkannt, da die Menschen von weit her zur Hadsch kommen. Also muss eine Person sowohl körperlich als auch finanziell dazu in der Lage sein.

In einem authentischen Ḥadīth sagte eine Frau zum Propheten ﷺ:

«يا رسول الله، إن فريضة الله على عباده في الحج، أدركت أبي شيخًا كبيرًا لا يثبت على الراحلة، أفأحج عنه؟ قال: «نعم».

„O Gesandter Allāhs, wahrlich die Pilgerfahrt, die Allāh seinen Dienern auferlegt hat, hat meinen Vater im hohen Alter erreicht, und er kann sich nicht mehr auf dem Reittier halten. Soll ich an seiner Stelle die Hadsch verrichten?“ Er sagte: „Ja.“

Das ist ein Beweis dafür, dass jemand, der körperlich nicht in der Lage ist, nicht verpflichtet ist. Wenn aber jemand an seiner Stelle die Hadsch verrichten kann, dann ist es erlaubt, dass jemand – sei es sein Freund oder ein Verwandter – die Hadsch für ihn ausführt, vorausgesetzt, er hat die Hadsch zuvor für sich selbst vollzogen.

Zur Fähigkeit gehört auch, dass eine Frau von einem reifen Mahram, der die Pubertät erreicht hat, oder von ihrem Ehemann begleitet wird. Wenn sie also finanziell in der Lage ist, jedoch weder ein Mahram noch ihr Ehemann mit ihr reisen kann, darf sie jemanden beauftragen, an ihrer Stelle die Hadsch zu verrichten – auf ihre Kosten, wie jeder andere, der dafür entlohnt wird.

An dieser Stelle ist es wichtig, auf eine unzulässige Praxis hinzuweisen, die in manchen islamischen Gesellschaften verbreitet ist: Wenn eine Frau über finanzielle Mittel verfügt, aber weder ein Mahram noch ihr Ehemann mit ihr reisen kann, wird ein Mann gebracht, mit dem sie einen sogenannten ‚Aqd al-Jalālah‘ schließt – einen Eheschließungsvertrag nur zum Zweck der Pilgerfahrt.

Sie heiraten ihn mit der Absicht, dass er sie während der Hadsch begleitet, ohne eheliche Beziehung. Nach der Hadsch lässt er sich dann von ihr scheiden. Das ist eine verwerfliche Praxis, die zurückgewiesen werden muss. Ich wollte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dies nicht erlaubt ist. Denn die Heirat mit der Absicht der Scheidung ist im Islām nicht erlaubt. Eine Heirat im Islām gilt nur dann als gültig, wenn sie auf Dauerhaftigkeit abzielt. Wenn das nicht beabsichtigt ist, ist sie im Islām ungültig und zählt als eine fremde Beziehung.

Frage:

Möge Allāh Sie reichlich belohnen und Güte an Ihnen walten lassen, geehrter Scheich.

Wenn ein Muslim oder eine Muslimin die Absicht fasst, die Hadsch zu verrichten, so steht er oder sie zweifellos vor einer gewaltigen Angelegenheit. Könnten Sie uns daher etwas über die Verhaltensregeln (Ādāb) sagen, an die sich ein Pilger oder eine Pilgerin während dieser Reise und bereits beim Verlassen seines bzw. ihres Heimatortes in Richtung Hadsch halten sollte?

Antwort: 

Die wichtigste Adāb (Verhaltensregel), die der Muslim oder die Muslimin beim Antritt der Hadsch beachten sollte, ist: die Aufrichtigkeit gegenüber Allāh – den Allmächtige, den Erhabene. Die Aufrichtigkeit (al-Ikhlāṣ) gegenüber Allah ist die Grundlage aller Anbetung. Es ist nicht erlaubt, eine Handlung mit einer weltlichen Absicht zu verrichten. Man muss dabei nur das Angesicht Allāhs – subhaanahu wa ta’aalaa – suchen und das erfüllen, was Er einem auferlegt hat, für Allah alleine – subhaanahu wa ta’aalaa.

Denn auf die Aufrichtigkeit weist die Aussage Allāhs – subhaanahu wa ta’aalaa – hin:

﴿فَمَن كَانَ يَرْجُوا۟ لِقَآءَ رَبِّهِۦ فَلْيَعْمَلْ عَمَلًۭا صَـٰلِحًۭا وَلَا يُشْرِكْ بِعِبَادَةِ رَبِّهِۦ أَحَدًۭا﴾

Wer nun auf die Begegnung mit seinem Herrn hofft, der soll rechtschaffen handeln und beim Dienst an seinem Herrn (Ihm) niemanden beigesellen.“ (Sūrah al-Kahf 18:110)

Und:

﴿قُلْ إِنَّ صَلَاتِى وَنُسُكِى وَمَحْيَاىَ وَمَمَاتِى لِلَّهِ رَبِّ ٱلْعَـٰلَمِينَ﴾

„Gewiß, mein Gebet und mein (Schlacht)opfer, mein Leben und mein Sterben gehören Allah, dem Herrn der Weltenbewohner.“ (Sūrah al-An'ām, 6:162)

Und im authentischen und noblen Ḥadīth des Propheten ﷺ heißt es:

«ثلاثٌ لا يغلُّ عليهن قلبُ مسلمٍ: إخلاصُ العملِ لله، ومناصحةُ ولاةِ الأمورِ، ولزومُ جماعةِ المسلمين، فإن دعوتهم تحيط من ورائهم».

„Drei Dinge gibt es, bei denen das Herz eines Muslims niemals trügerisch ist: Aufrichtigkeit im Handeln für Allah, aufrichtiger Rat an die Herrscher und das Festhalten an der Gemeinschaft der Muslime – denn wahrlich, ihr Aufruf umgibt sie (wie ein Schutz).“

Und ebenfalls im authentischen Ḥadīth, überliefert vom Propheten ﷺ von seinem Herrn:

«أنا أغنى الشركاء عن الشرك، من عمل عملاً أشرك معي فيه غيري تركته وشِركه».

„Ich bin der Unbedürftigste, der keiner Partnerschaft bedarf. Wer eine Tat vollbringt und darin Mir anderen beigesellt - den verstoße Ich mitsamt seinem Götzendienst.”


Deshalb – und wegen dieser Beweise – ist es verpflichtend, dass der Diener seine Tat einzig Allāh – subhaanahu wa ta’aalaa – widmet.

Zweitens: Reinige dich von Ungerechtigkeiten. Wenn du jemandem Unrecht getan hast, dann gib es ihm zurück und bitte ihn um Vergebung für das was bereits geschehen ist. Wenn nicht, dann verrichte diese Tat als reine Anbetung für Allāh – subhaanahu wa ta’aalaa – und in Gehorsam gegenüber Seinem Befehl.

Der dritte Punkt unter den Verhaltensregeln ist: Sich Wissen über die Manāsik (Hadsch-Riten) anzueignen, die Gelehrten darüber zu befragen, sich darüber auszutauschen und gemeinsam zu reflektieren, damit du Erkenntnisse gewinnst, die dir zuvor nicht bekannt waren – und damit du eine feste Grundlage hast, auf der du dich bewegst, wenn Allāh – subhaanahu wa ta’aalaa – dir Erfolg gewähren will.

Viertens: Dass du eine rechtschaffene Reisegruppe wählst, die dich bei der Erfüllung deiner Pflichten unterstützt, mit der du gemeinsam den scharīʿah-konformen Weg gehst, und die dich dabei ebenfalls unterstützt – sodass ihr euch gegenseitig bei dieser Angelegenheit helft. Und Allāh – subhaanahu wa ta’aalaa – sagt:

﴿وَتَعَاوَنُوا۟ عَلَى ٱلْبِرِّ وَٱلتَّقْوَىٰ وَلَا تَعَاوَنُوا۟ عَلَى ٱلْإِثْمِ وَٱلْعُدْوَٰنِ﴾

„Helft einander zur Güte und Gottesfurcht, aber helft einander nicht zur Sünde und feindseligem Vorgehen.“ (Sūrah al-Mā'idah 5:2)

Moderator:

Möge Allāh euch mit Gutem belohnen und Güte an euch walten lassen, liebe Brüder unter den Zuhörern, liebe Schwestern unter den Zuhörerinnen. In eurem aller Namen richten wir unseren Dank zunächst an Allāh – den Mächtigen und Erhabenen – und anschließend an den ehrenwerten Scheich für diese wertvollen Erkenntnisse und diese Verhaltensregeln, die wir – so Allāh, der Segensreiche und Erhabene, will – in der nächsten Folge fortsetzen werden.

Bis dahin vertrauen wir euch Allāh an.

Und möge der Friede, die Barmherzigkeit und der Segen Allāhs mit euch sein.

Scheich Aḥmad an-Nadschmī, rahimahullah

Übersetzung: Khidr ibn Malik