Frage:

Was ist die Vorschrift bezüglich des Besuchs von Gräbern (der Sahabah), wie den Gräbern von Imam Ali, Al-Husain, Al-Abbas und anderen (möge Allah mit ihnen zufrieden sein)? Ist der Besuch ihrer Gräber gleichwertig mit dem Lohn, den man erhält, wenn man siebzigmal Hadsch von der Ka`bah aus vollzieht? Hat der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) gesagt: „Jeder, der meine Familienmitglieder nach meinem Tod besucht, wird den Lohn erhalten, als ob er siebzigmal Hadsch vollzogen hätte“?

Antwort:

Der Besuch der Gräber ist eine Sunnah, und er ist lehrreich und erinnert an den Tod. Beim Besuch der Gräber von Muslimen sollte man Allah für sie um Bittgebete sprechen, denn der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) pflegte die Gräber zu besuchen und bei Allah für deren Bewohner Dua zu machen, ebenso wie die Sahabah (Gefährten des Propheten). Der Gesandte Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte:

﴿ زوروا القبور فإنها تذكركم بالآخرة ﴾

„Besucht die Gräber, denn sie erinnern euch an das Jenseits.“ [1] Darüber hinaus lehrte er (sallAllahu alayhi wa sallam) seine Sahabah, beim Besuch der Gräber zu sagen:

﴿ السلام عليكم أهل الديار من المؤمنين والمسلمين وإنا إن شاء الله بكم لاحقون نسأل الله لنا ولكم العافية ﴾

„Salamualaikum, Bewohner der Grabstätten unter den Gläubigen und Muslimen. InschaAllah, werden wir euch folgen. Wir bitten Allah um Wohlbefinden für uns und für euch.“ [2] In einer anderen Überlieferung fügte Aischah (möge Allah mit ihr zufrieden sein) hinzu:

﴿ يرحم الله المستقدمين منا والمستأخرين ﴾

„Möge Allah denen, die uns vorausgegangen sind, und denen, die später kommen, Barmherzigkeit erweisen.“ [3] Und in einer anderen Version, die von Ibn Abbas (möge Allah mit ihm zufrieden sein) überliefert wurde, fügte er hinzu:

﴿ أنتم سلفنا ونحن في الأثر يغفر الله لنا ولكم ﴾

„Möge Allah uns und euch vergeben! Ihr seid uns vorausgegangen, und wir werden folgen.“ [4]

All diese Formeln der Bittgebete und andere sind lobenswert. Darüber hinaus erinnert der Besuch der Gräber an den Tod und lehrt die Muslime, sich darauf vorzubereiten, da er sicher kommen wird, so wie er zu den Bewohnern der Gräber kam. So lernt ein Muslim, sich auf diesen Tag vorzubereiten, Allah und Seinem Gesandten zu gehorchen, von allem abzusehen, was Allah (Erhaben ist Er) und Sein Gesandter (sallAllahu alayhi wa sallam) verboten haben, und Tauba (Reue zu Allah) zu machen, um nachlässig gewesen zu sein. Auf diese Weise profitiert ein Muslim wirklich vom Besuch der Gräber.

Was Ihre Frage betrifft, ob der Besuch der Gräber von `Ali (möge Allah mit ihm zufrieden sein), Al-Hasan, Al-Husain und anderen dem Lohn entspricht, siebzigmal Hadsch zu vollziehen, so ist dies Batil (null und nichtig). Es ist ein erfundenes Hadith und hat keinen Ursprung. Tatsächlich ist der Besuch des Grabes des Propheten nicht gleichwertig mit dem Lohn, den man für die Vollziehung des Hadsch erhält, obwohl er der beste aller Menschen ist. Der Besuch der Gräber hat seinen Wert, aber er ist nicht gleichwertig mit dem Lohn, den man für die Vollziehung des Hadsch erhält. Wenn dies der Fall ist beim Besuch des Grabes des Propheten, geschweige denn beim Besuch anderer Gräber. Dies ist eine Lüge und so ist das erfundene Hadith, das Sie erwähnt haben, „Jeder, der meine Familienmitglieder nach meinem Tod besucht, wird den Lohn erhalten, als ob er siebzigmal Hadsch vollzogen hätte.“ All diese Überlieferungen sind Batil (Falsch), sie haben keinen Ursprung und wurden von Lügnern erfunden. Daher ist es die Pflicht eines Muslims, sich vor diesen erfundenen Berichten, die dem Gesandten Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) zugeschrieben werden, in Acht zu nehmen.

Es ist jedoch erlaubt, die Gräber zu besuchen, sei es die der Familienmitglieder des Propheten oder anderer Muslime, Allah für ihre Bewohner anzurufen und Allah um Gnade für sie zu bitten.

Andererseits kann ein Muslim die Gräber von Nicht-Muslimen besuchen, um sich an den Tod zu erinnern und eine Lehre zu ziehen, ohne Allah (Erhaben ist Er) für sie Dua zu sprechen. Der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) besuchte zum Beispiel das Grab seiner Mutter und Allah (Erhaben ist Er) verbot ihm, um Vergebung für sie zu bitten. Ebenso ist es kein Problem, die Gräber von Nicht-Muslimen zu besuchen, um eine Lehre zu ziehen, aber ohne sie zu grüßen oder Allahs Vergebung für sie zu erbitten, da sie es nicht verdienen.

Scheich Abdulaziz bin Baz, rahimahullah

Quelle: Majmu' al-Fataawa Band 9, Seite 283-284. Übersetzung: Abu Davut Konyevi


[1] Überliefert von At-Tirmidhi in „Al-Jana'iz“, Hadith Nr. 973.
[2] Überliefert von Ibn Majah in „Al-Jana'iz“, Hadith Nr. 1536.
[3] Überliefert von Muslim in „Al-Jana'iz“, Hadith Nr. 1620, und von Ibn Majah in „Al-Jana'iz“, Hadith Nr. 1536.
[4] Überliefert von An-Nasa'i in „Al-Jana'iz“, Hadith Nr. 2010.