Frage:
Ein Mann sagte: “Wenn du nur dies und das getan hättest, wäre dir das alles nicht passiert.” Ein anderer Mann, der ihn dabei hörte, sagte: “Dieses Wort ‚hätte‘ hat uns der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) verboten, denn es ist ein Wort, welches den Benutzer desselben zum Kufr führt.” Ein Dritter sagte: “Der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte, bezüglich der Geschichte von Musa mit Khidr:
{يرحم الله موسى وددنا لو كان صبر حتى يقص الله علينا من أمرهما}

‚Möge Allah gnädig mit Musa sein, wenn er nur Geduld gehabt hätte, dann hätte Allah uns noch mehr darüber berichtet, was zwischen den beiden passiert ist.’” Ein anderer bezog sich auf die Rede von sallAllahu alayhi wa sallam: [1]
{لمؤمن القوي أحب إلى الله من المؤمن الضعيف إلى أن قال فإن كلمة لو تفتح عمل الشيطان}

„Der starke Gläubige ist Allah lieber als der schwache Gläubige“, bis: „das Wort ‚wenn‘ öffnet Satans werken.“
Abrogiert dies (das erste) jenes (das zweite), oder nicht?

Antwort:
Alhamdulillah.

Alles, was Allah und Sein Gesandter gesagt haben, ist die Wahrheit (Haqq). Das Wort {ولو} ‚und wenn’ (bzw. „hätte“) wird in zwei Situationen benutzt:

Erstens: Um seine Trauer für die Vergangenheit und ihre Bedrängnis, die im Schicksal bestimmt waren, auszudrücken. Dies ist verboten, weil Allah (ta ‘aalaa) sagt:

{يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لَا تَكُونُوا كَالَّذِينَ كَفَرُوا وَقَالُوا لِإِخْوَانِهِمْ إِذَا ضَرَبُوا فِي الْأَرْضِ أَوْ كَانُوا غُزًّى لَّوْ كَانُوا عِندَنَا مَا مَاتُوا وَمَا قُتِلُوا لِيَجْعَلَ اللَّـهُ ذَٰلِكَ حَسْرَةً فِي قُلُوبِهِمْ ۗ وَاللَّـهُ يُحْيِي وَيُمِيتُ ۗ وَاللَّـهُ بِمَا تَعْمَلُونَ بَصِيرٌ}

„O die ihr glaubt, seid nicht wie diejenigen, die ungläubig sind und von ihren Brüdern, wenn sie im Lande umhergereist sind oder sich auf einem Kriegszug befunden haben, sagen: "Wenn sie bei uns geblieben wären, wären sie nicht gestorben und nicht getötet worden", damit Allah dies zu einer gramvollen Reue in ihren Herzen mache. Allah macht lebendig und lässt sterben. Und was ihr tut, sieht Allah wohl.” (Surah Aal-‘Imraan 3:156)

Dies ist was der Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) verbot als er sagte:

{وإن أصابك شيء فلا تقل : لو أني فعلت لكان كذا وكذا ولكن قل:  „قدر الله وما شاء فعل“ فإن - اللو- تفتح عمل الشيطان}

„Und sollte dich etwas heimsuchen, dann sage nicht: „Wenn ich (nur) dies und das getan hätte!” Aber du sollst sagen: „Vorbestimmung (Qadr) Allahs und was Er möchte geschieht”, denn das ‚Wenn‘ öffnet Satans werken.” (Sahih Muslim, Hadith Nr. 2664)

D.h.: es macht dich für Trauer und Furcht verletzlich, was für dich schädlich ist und dir keinen Nutzen bringt. Wisse, dass, was immer dich trifft, du nicht vermeiden konntest und was immer dich nicht trifft, du nicht hättest eintreffen lassen können, wie Allah (ta ‘aalaa) sagt:

{مَا أَصَابَ مِن مُّصِيبَةٍ إِلَّا بِإِذْنِ اللَّـهِ ۗوَمَن يُؤْمِن بِاللَّـهِ يَهْدِ قَلْبَهُ}

“Kein Unglück trifft (jemanden), außer mit Allahs Erlaubnis. Und wer an Allah glaubt, dessen Herz leitet Er recht. ” (Surah Al-Taghaabun 64:11)

Sie sagen: Dies ist ein Mann, den Unheil befällt, aber er weiß, dass es von Allah ist, deshalb akzeptiert er es und unterwirft sich.

Zweitens: Wenn das Wort {لَو} ‚wenn’ benutzt wird, um nützliches Wissen auszudrücken, wie in der Aussage (Allahs):

{لَوْ كَانَ فِيهِمَا آلِهَةٌ إِلَّا اللَّـهُ لَفَسَدَتَا}

“Wenn es in ihnen beiden andere Götter als Allah gäbe, gerieten sie (beide) wahrlich ins Verderben.” (Surah Al-Anbiyaa’ 21:22)

(Die zweite Art wird benutzt) um die Liebe für das Gute auszudrücken wie das Sagen von: „Wenn ich nur das hätte, was der und der hat, dann würde ich tun, was er tut.” Aussagen wie diese sind erlaubt.
Der Hadith des Propheten (sallAllahu alayhi wa sallam): {وددت لو أن موسى صبر ليقص الله علينا من خبرهما}

„Möge Allah gnädig mit Musa sein, wenn er nur Geduld gehabt hätte, dann hätte Allah uns noch mehr darüber berichtet, was zwischen den beiden passiert ist.” ist von dieser Art, so wie auch die Ayah: {وَدُّوا لَوْ تُدْهِنُ فَيُدْهِنُونَ}

„Sie möchten gern, dass du schmeichelst, so dass (auch) sie schmeicheln (können).”  (Surah Al-Qalam 68:9)

Unser Prophet (sallAllahu alayhi wa sallam) wünschte sich, dass Allah uns mehr darüber (die Musa- und Khidrgeschichte) erzählt hätte, und er erwähnte dies, um seine Liebe für Geduld und die Resultate, die daraus entspringen, aufzuzeigen, und die Vorteile, die sie bringen können. Darin gab es kein Element von Furcht, Trauer oder Vernachlässigung der Pflicht zur Geduld angesichts dessen, was verordnet wurde ...

Und Allah weiß es am besten.


Schaikh ibn Taymiyyah, rahimahullah

Majmuu’ al-Fataawa al-Kabiir von ibn Taymiyyah, 1023-9
 

Anmerkung:

Zusammenfassung

Das Wort „wenn“ bzw. „hätte” ist verboten zu sagen bei:
a) Ablehnung des islamischen Gesetzes (z.B. hätte ich meinen Bart rasiert, hätte ich eine Arbeit bekommen),
b) Ablehnung des Qadr (Schicksals)(z.B. wenn ich meinen Sohn nicht geschickt hätte, wäre er nicht gestorben), und:
c) indem man Sünden verlangt (z.B. wenn ich Geld gehabt hätte, hätte ich diese Sünde getan)

Es ist jedoch erlaubt bei:
a) guten Dingen, die man sich wünscht (z.B. hätte ich mehr Geld gehabt, hätte ich eine Moschee damit gekauft) und:
b) um nützliches Wissen auszudrücken.


Wenn jemand etwas Unerfreuliches erlebt oder ihn ein Unglück trifft, dann sollte er nicht sagen: "Wenn ich nur das und das getan hätte, dann wäre mir das und das nicht passiert!" oder: "Wenn ich nur das und das nicht getan hätte, dann wäre mir dies nicht geschehen!", denn das ist ein Zeichen der Ungeduld beim Akzeptieren dessen, was verpasst wurde und nicht wiedererlangt werden kann. Außerdem sind diese Worte bezeichnend für den Kufr an Allahs Urteil und Seine Bestimmung (Al-Qadaa' wa Al-Qadar), sie verursachen Leid und lassen den Schaytan Macht über den Menschen durch Waswas (Einflüsterungen) und Sorgen gewinnen.

Wenn jemanden ein Unglück trifft, dann muss er sich dem Willen Allahs unterwerfen und mit Sabr ertragen, was ihn traf, während er sich darum bemüht, die Mittel zu erlangen, die Gutes bringen und ihn vor dem Übel und unerwünschten Dingen beschützen, ohne sich zu beschweren.

Allah sagt:

{مَا أَصَابَ مِن مُّصِيبَةٍ فِي الْأَرْضِ وَلَا فِي أَنفُسِكُمْ إِلَّا فِي كِتَابٍ مِّن قَبْلِ أَن نَّبْرَأَهَا ۚ إِنَّ ذَٰلِكَ عَلَى اللَّـهِ يَسِيرٌ ﴿٢٢﴾ لِّكَيْلَا تَأْسَوْا عَلَىٰ مَا فَاتَكُمْ وَلَا تَفْرَحُوا بِمَا آتَاكُمْ ۗ وَاللَّـهُ لَا يُحِبُّ كُلَّ مُخْتَالٍ فَخُورٍ}

"Kein Unglück trifft ein auf der Erde oder bei euch selbst, ohne dass es in einem Buch (verzeichnet) wäre, bevor Wir es erschaffen - gewiss, dies ist Allah ein Leichtes -, damit ihr nicht betrübt seid über das, was euch entgangen ist, und euch nicht (zu sehr) freut über das, was Er euch gegeben hat. Und Allah liebt niemanden, der eingebildet und prahlerisch ist." (Surah Al-Hadid 57:22-23)
 
Und:

{قُل لَّن يُصِيبَنَا إِلَّا مَا كَتَبَ اللَّـهُ لَنَا هُوَ مَوْلَانَا ۚ وَعَلَى اللَّـهِ فَلْيَتَوَكَّلِ الْمُؤْمِنُونَ}

"Sag: Uns wird nur das treffen, was Allah für uns bestimmt hat. Er ist unser Schutzherr (Mawlaa). Auf Allah sollen sich die Gläubigen verlassen." (Surah At-Taubah 9:51)

Es wurde berichtet, dass Abu Hurayrah sagte: Der Gesandte Allahs (sallAllahu alayhi wa sallam) sagte: [1] "Der starke Gläubige ist besser und bei Allah beliebter, als der schwache Gläubige. Doch in beiden liegt Gutes. Bemüht euch um das, was euch nützt und erbittet die Hilfe Allahs und seid nicht hilflos. Wenn euch etwas trifft, dann sagt nicht: 'Wenn ich nur das und das getan hätte, dann wäre das und das geschehen`, sondern sagt: „Vorbestimmung (Qadr) Allahs und was Er möchte geschieht”, denn das Wort ‚wenn‘ öffnet Satans werken. (Sahih Muslim, Hadith Nr. 2664)


Schaykh Salih Ibn Fauzan al-Fauzan, hafidhahullah